Die Top Ten der praktischen Astronomie 2005

Bilder von Raumsonden
Bilder von Raumsonden

1 Amateure holen mehr aus den Bildern von Raumsonden heraus als die verantwortlichen Profis: Das wurde geradezu zum Trend des Jahres 2005. Aus den – allem Anschein nach nur durch einen Irrtum überhaupt in die Öffentlichkeit gelangten –Bildern der Huygens-Kameras vom Anflug auf die Oberfläche des Saturnmonds Titan am 14. Januar entstanden in der Hand von Bildverarbeitungsfans buchstäblich über Nacht exzellente Mosaike und Panoramen, wobei besonders René Pascal mit soviel Können ans Werk ging (Bild), dass zeitweise sogar die NASA-Planer des Cassini-Orbiters auf seine Mosaike zurückgriffen. Aus den Rohbildern des anfliegenden Impaktors von Deep Impact montierte Jost Jahn eine Collage, die zum ersten Mal den Zusammenhang der Nahaufnahmen mit dem gesamten Kern des Kometen Tempel 1 klar machte (erst Monate später gab es dasselbe auch von den Deep Impact-Forschern). Und kaum hatte der Marsrover Spirit die Columbia Hills erklommen, gab es faszinierende Panoramen ebenfalls zuerst aus Amateurhand – – auf gleichwertige Resultate der Rover-Forscher warten wir bis heute.

Sonnenfinsternis
Sonnenfinsternis

2 Zwei Sonnenfinsternisse, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten: Während die seltene Hybrid-Finsternis vom 8. April nur mitten auf dem Pazifischen Ozean als totale und in entlegenen Regionen Mittelamerikas als ringförmige zu sehen war, war am 3. Oktober zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder eine ringförmige SoFi mitten in Europa zu bewundern. Insgesamt nur rund 1300 Personen befanden sich in der Totalitätszone am 8. April: verteilt auf drei Kreuzfahrtschiffe, die – jeweils dank energischer Wolkenflucht – allesamt gute Sicht auf eine spektakuläre 30-Sekunden-Totalität boten (Bild: Dirk Ewers auf der MV Discovery). Besonders dramatisch war die Chromosphäre, die mehr als 200° lang um den Rand des kaum grösseren Mondes zu sehen war. In der Ringzone an Land gab es ein paar klare Stellen aber auch viel Wolkenpech. Der Ringförmigskeitszone vom 3. Oktober war in Spanien wie auch Tunesien dagegen vielerorts perfekt klarer Himmel vergönnt, was vielen Sonnenfinsternisfreunden den ersten Blick überhaupt auf einen Sonnenring am Himmel verschaffte (is 43 S. 42-44). Leider hatten sich aber nur die wenigsten an den Rand der Zone aufgemacht, wo – auch wissenschaftlich gesehen – das meiste geboten wird.

Kometenerlebnisse
Kometenerlebnisse

3 Kometenerlebnisse ganz unterschiedlicher Art hatte das Jahr zu bieten, das spektakulär mit der Abendsichtbarkeit von C/2004 Q4 (Machholz) begann (is 39 S. 34-39): Zwar blieb die Flächenhelligkeit des Plasmaschweifs gering, doch seine Länge war enorm, was – auch im Zusammenspiel mit Deep-Sky-Objekten im Hintergrund (hier ein Bild von Jäger & Rhemann mit den Plejaden) zahlreiche imposante Fotomöglichkeiten ergab. Die Komahelligkeit erreichte immerhin +3,7m, und vier Wochen lang war Machholz heller als 4,0m (Kammerer, Vds-Journal Nr. 18 S. 81-82). Der Einschlag des Projektils von Deep Impact auf 9P/Tempel 1 sorgte zwar für dramatische Bilder durch das vorbeirasende Mutterschiff wie auch von Hubble und großen Teleskopen auf der Erde – aber der auch in Fachkreisen erwartete Anstieg der Komagesamthelligkeit um 5 bis 10 Größenklassen (Kidger, The Astronomer 42 # 494 [Juni 2005] 46) blieb komplett aus! Das lehrt uns immerhin, dass die großen Helligkeitsausbrüche mancher Kometen sicherlich nicht von einschlagenden Meteoroiden ausgelöst werden. Zu feiern gab es schliesslich auch noch SOHO-Komet Nr. 1000, entdeckt wie die meisten von einem Amateurastronomen.

4 Ein deutscher Amateur entdeckte eine wissenschaftlich bedeutsame Supernova: Die SN 2005cs in der Galaxie Messier 51, auf die Wolfgang Kloehr aus Schweinfurt am 27. Juni mit einem 20-cm-Newton mit CCD-Kamera stiess und die ihm das Central Bureau for Astronomical Telegrams erst nach Tagen glauben wollte (VdS-Journal Nr. 18 S. 4; is 42 S. 19-20), ist nämlich erst die sechste überhaupt, bei der auf älteren Aufnahmen der Vorgänger-Stern identifiziert werden konnte, mit 23m im nahinfraroten I-Band! Es war ein Roter Überriese mit 7 bis 12 Sonnenmassen, was zum Typ II der Supernova passt, die leider im Visuellen nie heller als 14m wurde.

Marsopposition
Marsopposition

5 Eine Marsopposition hoch am Himmel mit einem Planetenscheibchen, das immerhin noch 20″ erreichte, schlug sich in zahllosen CCD-Aufnahmen nieder, die teilweise an Qualität Ergebnisse mit dem 5″ grösseren aber viel tiefer stehenden Mars von 2003 noch übertrafen (is 43 S. 46-47). Einen globalen Staubsturm wie 2001 gab es weder 2003 noch 2005, aber dieses Mal sorgten immerhin einige ausgedehnte lokale Wolken für Aufgregung just um die Erdnähe Ende Oktober. Und bald lag auch schon eine Gesamtkarte vor, die kleine Veränderungen gegenüber 2003 zeigt.

6 Amateurastronomen wurden zu Co-Entdeckern eines Exoplaneten – mittels Microlensing! Bei dieser noch recht exotischen Technik wird verfolgt, wie sich die Helligkeit eines fernen Sterns dramatisch erhöht, wenn ein anderer vor ihm herzieht und mit seinem Schwerefeld das Licht des hinteren in Richtung Erde bündelt. Anomalien der normalerweise sehr symmetrischen Lichtkurven solcher »Microlensing«-Ereignisse liefern Hinweise auf Planeten im Orbit um den linsenden Stern, die ebenfalls eine gewisse Linsenwirkung verursachen: Deswegen werden, sobald ein Microlensing beginnt, ganze Netzwerke von Beobachtern aktiviert. So geschah es auch im Frühjahr 2005 – und am Ende waren auch Helligkeitsmessungen des gelinsten Sterns durch zwei Amateursternwarten in Neuseeland mit 25- und 35-cm-Spiegeln mit entscheidend für den signifikanten Nachweis eines Planeten mit einigen Jupitermassen um den linsenden Stern.

Saturn Opposition
Saturn Opposition

7 Faszinierende Effekte während der exakten Saturn-Opposition am 13. Januar 2005, als der Planet der Sonne von der Erde aus nahezu perfekt gegenüberstand, sind von alarmierten Profi- wie Amateurastronomen gleichermassen beobachtet worden: Als der Phasenwinkel immer näher an Null heranrückte, wurden einige der Eismonde des Saturn um bis zu 40% heller – und auch die Saturnringe strahlten hell wie nie zuvor. Nur ein paar Stunden lang währte das Spektakel, das auch einigen wissenschaftlichen Wert hat: Für den ausgeprägten »Oppositionseffekt«, den auch unser Mond kennt, sorgt zum einen das lange bekannte »shadow hiding«, bei dem Teilchen genau vor ihren eigenen Schatten stehen. Aber um die Aufhellung der Saturnmonde zu erklären, müssen noch komplexere, wellenoptische Effekte berücksichtigt werden.

8 »Das spektakulärste Doppelstern-Ereignis des Jahrhunderts« bot nach Einschätzung der – wenigen – Beobachter das Periastron von Gamma Virginis alias Porrima Ende April 2005: Sind die beiden gleich hellen 3,5m-Sterne normalerweise schon in kleinen Fernrohren zu trennen, so rückten sie nun für ein paar Wochen bis auf 1/3 Bogensekunde zusammen und veränderten zugleich rasant ihren Positionswinkel am Himmel. Was nur noch unter allerbesten Bedingungen oder gar mit interferometrischen Tricks zu verfolgen war. Das letzte Periastron erlebte Porrima 1836, und die Astro-Prominenten John Herschel, W.R. Dawes und Admiral Smyth waren Augenzeugen: Damals wie heuer scheint es in Periastron-Nähe Abweichungen von einer reinen Kepler-Bahn gegeben zu haben, vielleicht ein Hinweis auf die Schwerkraft eines dritten Körpers.

Konjunktion von Venus und Merkur
Konjunktion von Venus und Merkur

9 Eine enge Konjunktion von Venus und Merkur, die überdies noch ein Dreieck mit dem Saturn tief am sommerlichen Abendhimmel bildeten, war Ende Juni eine Herausforderung für Astrofotografen (is 42 S. 6): Das 4′-Planetenpaar mit hoher Vergrösserung – und beide Beteiligte als Scheibchen mit Phase – abzulichten, gelang u.a. Erwin Günther in Österreich, während das sich von Tag zu Tag rasant verändernde Planetendreieck (das es in dieser »Qualität« angeblich erst wieder 2030 geben wird) leider nur in noch südlicheren Breiten für den vollen visuellen Genuss ausreichend hoch am Himmel stand. Hierzulande blieben der Saturn und oft auch der Merkur Feldstecherobjekte in der nicht enden wollenden Dämmerung.

10 Spektakuläre Videobilder von Sprites über Norddeutschland gelingen Hartwig Lüthen am 2. Mai von seinem Balkon in Hamburg-Altona aus: Gewitter ringsum aber klarer Himmel und eine lichtempfindliche Mintron-Videokamera sind der Schlüssel für den Erfolg – noch vor kaum mehr als einem Jahrzehnt war die schiere Existenz des sonderbaren Blitzphänomens hoch über Gewitterwolken

Videobilder von Sprites
Videobilder von Sprites

kontrovers, und lange gab es gute Aufnahmen nur aus dem mittleren Westen der USA, wo im Sommer häufig ideale Wetter- und Sichtbedingungen herrschen. Auch in Japan wurden übrigens in letzter Zeit spektakuläre Sprites per Video erwischt – im Rahmen von koordinierten Schüler-Projekten: Dabei werden ebenfalls hochempfindliche Videokameras und die Software UFO Capture eingesetzt.

Tiefschläge des Jahres waren der erste Untergang eines Grossplanetariums in Deutschland (im Forum der Technik in München; is 40 S. 7-8) und das Verschwinden der Firma Vehrenberg KG (is 41 S. 9) und der Astro-Illustrierten Star Observer (is 43 S. 9).

Höhepunkte aus der professionellen Astronomie 2005 waren gewiss zahlreiche Entdeckungen im Kuipergürtel, insbesondere von mehreren »dicken Dingern« von den Ausmassen Plutos oder darüber hinaus, von den ersten Kuiperoids mit mehr als einem Mond und von einem Objekt mit unbegreiflichem Orbit, der Fund eines Exoplaneten mit nur wenigen Erdmassen, die ersten direkten Bilder von Exoplaneten-Kandidaten (is 41 S. 11), die aber allesamt kontrovers geblieben sind, der erste Nachweis von Licht zweier Exoplaneten (is 40 S. 12) und zahlreiche Durchbrüche bei den Gamma Ray Burstern: Es gibt einen neuen Distanzrekord und klare Indizien, dass die »kurzen Bursts« von fusionierenden Neutronensternen stammen, wobei zuweilen auch ein Schwarzes Loch im Spiel sein könnte.

Wesentliche Erfolge der Weltraumforschung waren unter anderem die Entdeckung von aktivem Vulkanismus auf dem Saturnmond Enceladus, der schon länger verdächtig war (is 40 S. 11), die wechselvollen Erlebnisse der japanischen Raumsonde Hayabusa beim Asteroiden Itokawa, die inzwischen ein ganzes Marsjahr dauernden Rundfahrten der beiden Marsrover, die erfolgreichen Starts des Mars Reconnaissance Orbiter und des Venus Express – und der erklärte Wille des neuen NASA-Chefs Mike Griffin, doch noch einen letzten Space Shuttle zum Hubble Space Telescope zu schicken. Vorausgesetzt, der zweite Testflug der Discovery irgendwann 2006 verläuft zufriedenstellender als der erste im Sommer 2005.

Noch mehr Weltraum-Highlights-Listen 2005 gibt es auch von der NASA, der ESA und von Sky & Telescope, New Scientist und Space.com, während MSNBC in mehreren Diaschauen eine Auswahl schöner und/oder origineller Bilder präsentiert.

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