Wenn Neutrinoteleskope und Amateurastronomen gemeinsam ferne Supernovae jagen …

Wenn ein massereicher Stern kollabiert und ein Neutronenstern entsteht, während gleichzeitig ein Großteil des Sterns als Supernova des Typs II auseinanderstiebt, dann kündet allein ein Schwall aus Neutrinos von diesem immer noch grösstenteils unverstandenen Prozess (so weiss man bis heute nicht wirklich, wie der dramatische Kollaps gleichzeitig zu einer enormen Explosion führt). Diese Elementarteilchen, die zuhauf bei der Bildung des Neutronensterns entstehen, können mangels Wechselwirkung fast ungehindert aus der Supernova entweichen, aber genau diese Eigenschaft macht es dann um so schwieriger, sie auf der Erde wieder einzufangen. Genau einmal ist das gelungen, vor nunmehr 19 Jahren bei der Supernova 1987A in der Große;n Magellanschen Wolke: Riesige unterirdische Teilchendetektoren fingen damals wenige Dutzend Neutrinos, aus denen man letztlich nicht besonders viel über die Physik der Sternexplosion lernen konnte.

Eine Supernova in unserer eigenen Milchstraße in 10 kpc (33 000 Lichtjahren) Entfernung würde heute beispielsweise im japanischen Super-Kamiokande rund 10 000 Neutrinodetektionen auslösen, doch damit ist leider nur ein paarmal im Jahrhundert zu rechnen. Eine Supernova in einer Nachbargalaxie in 1 Mpc (3 Mio. Lichtjahre) Distanz würde sich dagegen gerade noch durch ein einsames Neutrino-Ereignis bemerkbar machen: Es wäre zunächst einmal völlig unmöglich, es konkret einer Supernova zuzuschreiben (Ando et al., Phys. Rev. Lett. 95 [21.10.2005] 171101). Doch wenn zugleich ein Netzwerk von (Amateur-)Astronomen permanent alle Galaxien in, sagen wir, 10 Mpc Radius um die Milchstraße überwacht und nahezu zeitgleich mit solch einem detektierten Neutrino eine Supernova-Explosion des Typs II meldet, dann wäre das einsame Elementarteilchen mit einiger Sicherheit einem Sternkernkollaps zuzuschreiben.

Theoretisch müsste solch eine Parallelbeobachtung ein- oder zweimal pro Jahr gelingen: Zum einen werden jetzt die Aufzeichnungen Kamiokandes der vergangenen Jahre systematisch nach Ereignissen in Zeitnähe zu nahen Supernovae durchforstet. Und es wird vorgeschlagen, dass sich Amateure (mit mittelgroßen Teleskopen) und Neutrinophysiker zusammenschliessen: Wenn erstere eine neue Supernova sichten, alarmieren sie die Physiker, und wenn letztere zwei Neutrinos innerhalb von nur 10 Sekunden registriert haben (was als sehr verdächtig gelten darf), dann alarmieren sie umgekehrt augenblicklich die Amateure. Denn der Neutrinoschwall verlässt die Supernova schon, bevor sie überhaupt hell wird: Ihr Aufflammen kann so vorausgesagt werden. (Auf diesem Prinzip basiert ein bereits etabliertes Frühwarnsystem, das allerdings nur für Supernovae in der Milchstraße funktioniert.) Hat man dann genug solche Neutrinos mit wahrscheinlicher Supernova-Herkunft »gesammelt«, dann würde sich ein gemeinsames Energiespektrum erstellen lassen, aus dem man einiges lernen könnte.

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