Zwei neue Forschungs-Großprojekte der ESA

Künstlerische Darstellung des Solar Orbiter der ESA nahe dem Perihel seiner elliptischen Umlaufbahn: Ein Schild schützt die Elektronik vor der intensiven Strahlung. [MPI für Sonnen­systemforschung]

Die ersten beiden »Mittelklasse«-Missionen des neuen Langzeitplans für Weltraumforschung der europäischen Weltraumbehörde stehen fest: Für jeweils rund eine Milliarde Euro wird 2017 eine Raumsonde näher an die Sonne herangeschickt als jede andere – und 2019 startet ein großer Astronomiesatellit, der mit zwei Methoden der Natur der Dunklen Energie des Universums nachspüren soll. Bei beiden Missionen sind zahlreiche deutsche Astronomen beteiligt. Die »Cosmic Vision« der ESA legt eine Serie unterschiedlich teurer Missionen für den Zeitraum 2015 bis 2025 fest, über die nacheinander im Wettbewerb entschieden wird: Während es in der Spitzenklasse – nach dem plötzlichen Ausstieg der USA als wesentlichem Partner – zu einigen Turbulenzen gekommen ist, läuft bei den sogenannten M-Missionen alles nach Plan. Zuletzt waren noch drei Bewerber für die ersten zwei Missionsplätze im Rennen, und der Exoplaneten-Sucher Plato wurde nun abgewählt, darf aber in einer künftigen M-Runde wieder antreten. Als praktisch sicher galt der Zuschlag für den Solar Orbiter, da für ihn schon viel Technologie entwickelt wurde: Bis auf 42 Mio. km wird er sich der Sonne nähern und nicht nur hochauflösende Bilder – u.a. von hohen Breiten der Sonne – liefern sondern insbesondere Vor-Ort-Messungen des frischen Sonnenwinds vornehmen: Um dessen Entstehung und Beschleunigung geht es vorrangig. Bei der Mission ist als Juniorpartner die NASA mit an Bord, die für zwei der rund ein Dutzend wissenschaftlichen Instrumente und auch den Start auf einer Atlas-Rakete sorgen wird. Auf seiner ungewöhnlichen Bahn wird der Solar Orbiter einer 13-mal so starken Sonnenstrahlung ausgesetzt sein wie an der Erde: Entsprechende Schutzmaßnahmen sind aber schon für den ESA-Merkur-Orbiter BepiColombo entwickelt worden.

Der andere Gewinner ist das Weltraumteleskop Euclid, das mit einem 1,2m großen Spiegel und zwei Instrumenten mehrere hundert Millionen Galaxien am ganzen Himmel bis zur Rotverschiebung 2 abbilden und spektroskopieren soll: Eine visuelle Kamera mit 36 CCD-Chips à 16 Mio. Pixeln sorgt für 45′ große Bilder mit 0,1′ Auflösung, ein nahinfraroter Spektrograph ist für 920nm bis 2µm zuständig. Die scharfen Galaxienbilder – fast Hubble-Auflösung aber bei einem gewaltigen Gesichtsfeld – erlauben eine statistische Auswertung auf leichte Verzerrungen hin, die durch die Gravitationslinsenwirkung von anderen Galaxien und vor allem ihrer Dunklen Materie entlang der Sichtlinie verursacht werden (»weak lensing«), die Spektren platzieren die Galaxien im dreidimensionalen Raum und lassen großräumige Strukturen des Kosmos erkennen. Aus beiden Mustern lassen sich Rückschlüsse auf den Anfangszustand und die folgende Expansionsgeschichte des Kosmos ziehen und damit auch auf die Natur der mysteriösen Dunklen Energie, die für die heute beschleunigte Ausdehnung sorgt. Diese Methoden sind komplementär zu ihrer Erforschung durch die Photometrie ferner Supernovae, wie sie gerade – just am selben Tag, als Euclid und der Solar Orbiter ausgewählt wurden! – mit dem Physik-Nobelpreis gewürdigt wurde. Der Hauptpreisträger Saul Perlmutter kämpfte jahrelang vergeblich um einen Satelliten, der die Supernova-Technik in den Erdorbit tragen sollte, zuletzt gingen mehrere Projekte zur Erforschung der Dunklen Energie im NASA-Infrarotsatelliten WFIRST auf, der in mancher Beziehung Euclid ähnelt aber erst Jahre später fertig sein kann. Bislang ist Euclid ein reines ESA-Projekt, aber die USA sind – weiter – eingeladen, sich substanziell zu beteiligen.

Daniel Fischer

ESA zur Auswahl:
www.esa.int/export/esaSC/SEMOZ59U7TG_index_0.html
MPIA zu Euclid:
www.mpia.de/Public/menu_q2.php?Aktuelles/PR/2011/PR111005/PR_111005_de.html
Nobelpreis zur Dunklen Energie (PDF):
www.nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/2011/sciback_fy_en_11.pdf

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