Unbekannte Zeitbomben in der Galaxis?

Tycho Brahe machte am 11 November 1572 eine aufregende Entdeckung im Sternbild Kassiopeia. Er war es auch, der den Begriff »Nova« (von lat. nova: die Neue) prägte, weil er sie für einen neuen Stern hielt. Mit dieser ersten Beobachtung einer Supernova von europäischen Astronomen war gezeigt, dass auch die Fixsterne nicht unveränderlich sind. [NASA, JPL-Caltech/CXC/Calar Alto O. Krause (Max Planck Institut für Astronomie)]

Den Sternen des Universums ist abhängig von ihrer Masse jeweils ein unterschiedliches Ende vorherbestimmt. Die Schwergewichte unter ihnen vergehen in einer gewaltigen Explosion, bei der der Stern selber komplett vernichtet wird, der Supernova. Grundsätzlich unterscheidet man historisch grob zwei Typen dieser ultimativen Detonation. Entscheidend bei der Einteilung ist der Mechanismus, nach dem der Stern zur Supernova wird. Dabei können auch Überreste sehr viel leichterer Sterne in einer Supernova involviert sein. Weiße Zwerge beispielsweise, die in einem Binärsystem Material von ihrem Begleiter akkretieren, sterben in einer thermonuklearen Supernova vom Typ 1a: Dabei überschreitet der Weiße Zwerg eine kritische Massengrenze, die so genannte Chandrasekhar-Masse von etwa 1.38 Sonnenmassen und wird instabil. Es bilden sich im Innern des Zwergs Inseln, in denen eine thermonukleare Verbrennung einsetzt. Man spricht in diesem Zustand auch von der »Subsonischen Deflagration«. Diese thermonuklearen Verbrennungen breiten sich nach außen aus und gehen dann in eine Detonation über. Der Weiße Zwerg befindet sich zu diesem Zeitpunkt im deflagration-to-detonation transition-Stadium (DDT). Durch den im Vergleich zur Deflagration viel höheren Explosionsdruck in der Detonation entsteht schließlich eine schockgetriebene, supersonische Detonationswelle – der Motor der Supernova. Die dabei frei werdenden Leuchtkräfte betragen knapp 5 Mrd. Sonnenleuchtkräfte!

Denkbar wäre auch eine Überschreitung der Chandrasekhar-Masse durch Verschmelzung zweier Weißer Zwerge. Im Allgemeinen wird jedoch die erste Möglichkeit favorisiert. Und schon beginnen die Probleme, denn was alles so einleuchtend sein könnte, hat doch zwei wesentliche Schönheitsfehler. Stimmt die Akkretionshypothese, sollten während der Supernova unter anderem auch kleinere Mengen von Wasserstoff und Helium nachweisbar sein. Beides sollte von Materie stammen, die nicht vom Weißen Zwerg akkretiert wurde, bzw. sollten Überbleibsel des durch die Nova zerstörten Begleiters sein. Bei den meisten Typ 1a-Novae war dies nicht der Fall. Häufig konnte nach der Nova auch keine Spur mehr des Spendersterns gefunden werden. Was war also geschehen? Stimmt vielleicht unser Verständnis von den Abläufen einer Supernova nicht? Vermutlich liegt des Rätsels Lösung in der Rotationsrate des Weißen Zwergs verborgen. Denn während der Zwerg durch Akkretion massereicher wird, erhält er gleichzeitig auch ein höheres Drehmoment, welches die Rotationsrate beschleunigt. Dreht er sich im weiteren Verlauf nun schnell genug, so zeigen Simulationsrechnungen, kann es dem Weißen Zwerg gelingen, die Chandrasekhar-Massen-Grenze zu überschreiten, ohne in einer Supernova zu vergehen. Die Fliehkräfte wirken also der Gravitation entgegen, der Kollaps wird zunächst vermieden. Stoppt die Gewichtszunahme, wird sich auch die Rotation über eine gewisse Zeitdauer verringern. Der »Spin down«-Effekt tritt ein und die Fliehkräfte können der Gravitation nicht mehr ausreichend entgegenwirken. Bis es aber so weit ist, ist eine »Zeitverzögerung« bis zur Explosion von bis zu Milliarden von Jahren eingetreten. Genügend Zeit also, um den Begleitstern altern zu lassen und ebenfalls zum Weißen Zwerg zu werden. Alles umgebende detektierbare Material hätte sich ebenfalls aufgelöst.

Durchschnittlich lassen sich in der Milchstraße drei Typ 1a-Novae beobachten. Wenn allerdings ein typischer Super-Chandrasekhar-Masse Weißer Zwerg hunderte Millionen von Jahren zum Abbremsen benötigt, sollte es in der Galaxis mehrere Dutzend Pre-Explosions-Systeme innerhalb eines Radius von einigen tausend Lichtjahren um die Erde geben. Wie alle Weißen Zwerge sind auch die schwereren unter ihnen nur sehr schwer mit konventioneller Technik aufzuspüren. Es muss also auf Systeme wie Pan-STARRS oder das Large Synoptic Survey Teleskop gewartet werden, um sie zu finden.

Lars-C. Depka

aktuelle Arbeit:
arxiv.org/abs/1102.4342

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*