KIC 8462852 – es tut sich was beim seltsamsten Stern der Milchstraße

Die Lichtkurve von Boyajian's Star in den vergangenen Monaten, gemessen am Fairborn Observatory in Arizona: in rot Phasen normaler Helligkeitsschwankungen, in Grün Anzeichen einer Verdunklung Ende April, in Blau der aktuelle deutliche Helligkeitseinbruch - bisher um etwa 3 Prozent. [Matthew Muterspaugh, Tenn. State U./Center of Excellence for Information Systems Eng. and Management]

Ein Stern ( KIC 8462852 ) mit höchst seltsamem Helligkeitsverlauf, den einst der Satellit Kepler entdeckte, erlebt jetzt wieder einen seiner mysteriösen scharfen Helligkeits-Einbrüche – und erstmals wissen die Astronomen in Echtzeit Bescheid und können das Phänomen (das auch gut ausgerüstete Amateure verfolgen können) mit vielen Methoden beobachten: Das könnte es bald erlauben, unter den zahlreichen und z.T. reichlich verwegenen Hypothesen einen führenden Kandidaten zu benennen.

Die amtliche Bezeichnung ist KIC 8462852, in der Fachliteratur heißt er Boyajian’s Star und bei seinen zahlreichen Fans Tabby’s Star: Ein eigentlich völlig unauffälliger Stern im Schwan, bei dem der Satellit Kepler beim jahrelangen Anstarren des Himmelsfeldes (eigentlich auf Exoplanetensuche) gelegentliche kurze Helligkeitseinbrüche um bis zu 20% gesehen hatte. Leider war es Tabetha Boyajian und Co. erst nach dem Ende von Keplers Beobachtungen des Feldes klar geworden, dass hier etwas ausgesprochen Mysteriöses vorging – aber da es nur die „schwarzweiße“ Kepler-Lichtkurve und sonst gar nichts gab, schießen seit 2015 die Spekulationen ins Kraut, mit über einem Dutzend publizierter Hypothesen. Sie reichen von exotischen Vorgängen im Stern selbst über allerlei sonderbare Himmelskörper in seiner Nähe oder im Orbit bis zu klumpigen Strukturen im interstellaren Medium, die zuweilen durch die Sichtlinie ziehen. Selbst eine Art Großbaustelle fortschrittlicher Aliens rund um den Stern kann nicht explizit ausgeschlossen werden, wobei natürlich diese Spekulation maßgeblich zur Popularität von Boyajians Stern beigetragen hat. Und seit 2015 wurde darauf gewartet, dass dort wieder etwas passiert, der Stern aber tat nichts.

Bis diesen April: Da wurde die Lichtkurve zeitweise unruhiger (Grafik), und kurz darauf veränderte sich auch etwas im Spektrum des Sterns: Unter den Experten für Tabby’s Star herrschte seither „Alarmstufe Gelb“. Wieder eine Woche später begann dann ein deutlicher Einbruch der Helligkeit, der am 19. Mai schon 3% betrug: Das war der Auslöser für „Alarmstufe Rot“, und zahlreiche Teleskope rund um den Globus wurden alarmiert. Ob die drei Veränderungen überhaupt miteinander zusammen hängen, ist nicht einmal klar, aber Messungen während des Helligkeitseinbruchs sollten rasch wichtige Erkenntnisse bringen: Ist er in verschiedenen Farben unterschiedlich stark, und verändert sich das Spektrum des Sterns? Das sind wesentliche Diagnostiken für den geheimnisvollen Absorber, der in den meisten Szenarien hinter der Verdunklung steckt. Kurioserweise würde der Mai 2017 zu den größten Einbrüchen der Kepler-Zeit passen, wenn man ein periodisch wiederkehrendes Phänomen annimmt, vielleicht etwas in einem weiten Orbit – aber das beweist natürlich noch nichts. Da der Stern eine Grundhelligkeit von 11,9 Größenklassen im Visuellen hat und der Schwan günstig steht, können u.U. auch Amateure nützliche Daten liefern.

LINKS:
Der aktuelle Einbruch: http://www.astronomerstelegram.org/?read=10405
Das Vor-Ereignis: https://angelrls.wordpress.com/2017/05/20/mysterious-tabbys-star-dims-again-observations-needed
Aufruf zu Amateurbeobachtungen: https://www.aavso.org/aavso-alert-notice-542
Die „Vorhersage“ des Einbruchs: http://www.wherestheflux.com/single-post/2016/06/09/What-will-happen-in-May-of-2017
HangOut mit einem Tabby-Forscher: https://www.youtube.com/watch?v=eYpIGZS8nJc
Die vielen Hypothesen: https://arxiv.org/abs/1609.03505
Artikel-Serie zu dem Phänomen: http://planetaria.ca/2016/09/09/10-part-overview-enigmatic-alien-megastructure-star-jason-wright

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