Satelliten erforschen Gammablitze – von irdischen Gewittern

Das Phänomen nennt sich Terrestrial Gamma-ray Flashes oder TGFs und war die vielleicht überraschendste Entdeckung des Compton Gamma Ray Observatory Anfang der 1990-er Jahre: Während der BATSE-Detektor auf dem NASA-Satelliten eigentlich kosmische Gammablitze aus den Tiefen des Alls einfangen sollte (und dies auch mit Bravour tat), registrierte er doch im Laufe seiner neunjährigen Messungen gelegentlich ähnliche Strahlung, die aus der Atmosphäre der Erde stammte. Diese TGFs dauerten höchstens 3 Millisekunden: Bald ließ sich zeigen, dass jeder TGF mit einem ganz bestimmten Gewitterblitz zusammenhing, doch nur ein winziger Bruchteil der Blitze führte zu einem nachweisbaren TGF.

Ein anderer überraschender Aspekt irdischer Gewitter: Die Sekundenbruchteile lang sichtbaren Sprites hoch über den Wolken könnten mit den genau so kurzlebigen Terrestrial Gamma-ray Flashes in Verbindung stehen. Und ersteres Phänomen – hier ein Videostandbild von 1995 – ist sogar Amateurastronomen mit lichtempfindlichen Kameras zugänglich. [Lockheed Palo Alto Research Laboratories]
Ein anderer überraschender Aspekt irdischer Gewitter: Die Sekundenbruchteile lang sichtbaren Sprites hoch über den Wolken könnten mit den genau so kurzlebigen Terrestrial Gamma-ray Flashes in Verbindung stehen. Und ersteres Phänomen – hier ein Videostandbild von 1995 – ist sogar Amateurastronomen mit lichtempfindlichen Kameras zugänglich. [Lockheed Palo Alto Research Laboratories]

Das änderte sich auch nicht, als später der Satellit RHESSI rund 800 der irdischen Gammablitze registrierte, während er im Prinzip Millionen von Gewitterblitzen hätte »sehen« können. Auch die neuen Gammasatelliten der NASA und Italiens, Fermi und AGILE, haben bereits etliche TGFs registriert, wobei die Daten von Fermi – der dank einer Softwareänderung inzwischen sieben Mal mehr TGFs als vorher registrieren kann – noch eine neue Überraschung brachten. Als Mechanismus der Erzeugung der Gammastrahlung bei TGFs galten bis dahin durch elektrische Felder auf fast Lichtgeschwindigkeit beschleunigte Elektronen, die mit Atomen der Atmosphäre kollidieren und dabei Bremsstrahlung aussenden. Aber die Gammastrahlung einiger Fermi-TGFs hatte mit 511 keV genau die Energie zerfallender Positronen, also von Antimaterie, die in einem Gewitter eigentlich nichts zu suchen hat. Vielleicht kommt es manchmal zu einer ganzen Kaskade von Teilchenkollisionen mit Positronen als Nebenprodukt. AGILE wiederum hat zeigen können, dass die Energie der TGFs bis zu Dutzenden von Megaelektronenvolt reicht und damit hunderte Male über der Energie bekannter Gewitterprozesse liegt.

Damit wird das TGF-Phänomen, als energiereichster Strahlungsprozess der Erde überhaupt, auch für die Luftfahrt interessant: Ein Gammablitz in der Nähe eines Flugzeugs könnte eine erhebliche Strahlenbelastung für die Passagiere bedeuten, äquivalent 400 Röntgenaufnahmen. Um den mysteriösen Blitzen endlich systematisch auf den Grund zu gehen, ist nun sogar – für 2010 oder 2011 – der Start eines Minisatelliten namens Firefly geplant, der erstmals gezielt nach unten schauen wird: Vielleicht gehört ja doch zu jedem Blitz auch ein TGF, der womöglich gar als Auslöser der Blitzentladung eine Rolle spielt.

Daniel Fischer

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