Kleine Asteroiden als Trümmerhaufen: Das Bild wird klarer

In vielen Köpfen mag noch die Vorstellung verbreitet sein, dass kleine Asteroiden felsige Bruchstücke ihrer großen Verwandten sind, das heißt Körper aus einem Stück – doch dieses Bild hat sich in den vergangenen 20 Jahren stark verändert. Die geringe Dichte vieler Kleinplaneten und Nahaufnahmen ihrer Oberflächengestalt durch Raumsonden wie auch Modelle zur Entwicklung des Asteroidengürtels sprechen allesamt für das »rubble pile«-Szenario, bei dem diese Kleinkörper meist regelrechte »Trümmerhaufen« aus zahlreichen kleineren Felsen sind, die nur locker zusammen halten.

Ansichten des kleinen Asteroiden Šteins mit der Kamera OSIRIS von Rosetta im September 2008: Oben die beiden schärfsten Bilder, darunter dieselben noch einmal, mit einer großen Verwerfung (links) bzw. einer Kette aus sieben Kratern markiert. [ESA © 2008 MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA]
Ansichten des kleinen Asteroiden Šteins mit der Kamera OSIRIS von Rosetta im September 2008: Oben die beiden schärfsten Bilder, darunter dieselben noch einmal, mit einer großen Verwerfung (links) bzw. einer Kette aus sieben Kratern markiert. [ESA © 2008 MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA]

Zwei neue Beobachtungen und eine theoretische Arbeit haben das in diesem Jahr noch deutlicher gemacht: Da ist zum einen eine Analyse der Bilder des nur 6km × 4km großen Asteroiden Šteins, an dem die Sonde Rosetta 2008 vorbei flog (Abb.): Seine »diamantartige« Gestalt mit breiter Taille lässt sich zwanglos verstehen, wenn man ihn als fliegende Schutthalde betrachtet, die – durch einseitige Sonnenbestrahlung – in immer schnellere Rotation versetzt wurde, bis sich die einzelnen Bestandteile zu verlagern begannen. Dabei wurden auch kleinere Impaktkrater zerstört, die auf Šteins‘ Oberfläche unterrepräsentiert sind. Seiner Zusammensetzung nach entstammt Steins dem Inneren eines differenzierten, viel größeren Asteroiden, wurde aber dann durch eine Kollision zum Trümmerhaufen. Es bedarf aber keiner direkten Zusammenstöße, um kleine Asteroiden markant zu verändern: Das ist das Ergebnis einer spektroskopischen Untersuchung an 95 erdnahen Kleinplaneten.

Diejenigen, die in den letzten Jahrmillionen der Erde bis auf 100000km nahe kamen und dabei Gezeiteneffekte erfuhren, haben allesamt primitiver erscheinende Oberflächen als der Rest, der von der Erdschwerkraft ungestört blieb und rascher »Verwitterung« unter den harschen Bedingungen des interplanetaren Raums ausgesetzt war (»space weathering«). Offenbar genügt bereits schwacher Gezeitenstress, um regelrechte Erdbeben auszulösen, die frisches, unverwittertes Material an die Oberfläche befördern: Auch dies ist wieder ein starker Beleg für eine generelle Natur kleiner Asteroiden als rubble piles. Die genaue »Seismologie« der Neugestaltung ihrer Oberflächen ist dabei noch ziemlich rätselhaft, könnte aber klarer werden, wenn der Kleinplanet Apophis 2029 in sechs Erdradien Abstand an der Erde vorbei huscht. Das rasche »space weathering« einerseits und seine Beseitigung bei nahen Besuchen an der Erde anderseits löst nebenbei auch das Problem, warum der Großteil der auf der Erde gefundenen Meteoriten primitive Chondriten sind, während nur viele erdnahe Asteroiden, nicht aber solche aus dem Hauptgürtel vergleichbare Spektren aufweisen. Eine dritte, theoretische Arbeit hat sich derweil der Frage zugewandt, was eigentlich die kleinsten »rubble pile«-Asteroiden zusammenhält: Nicht Schwerkraft oder Elektrostatik, sondern die van-der-Waals-Kräfte zwischen Molekülen spielen demnach die Hauptrolle beim Zusammenhalt ihrer metergroßen Bruchstücke.

Daniel Fischer

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