Komet Lovejoy hat Sonnenpassage überlebt

Der ca. 15° lange Schweif des Kometen Lovejoy beim morgendlichen Aufgang in Australien am 22. Dezember um 4:30 Uhr Ortszeit. 50mm bei f/1.8, 20s, ISO 1600. [Vello Tabur]

Abermals hat ein Komet ein völlig anderes Verhalten an den Tag gelegt als alle Experten aufgrund früherer Erfahrungen vorausgesagt hatten: Der erste vom Erdboden aus entdeckte »sonnenkratzende« Kreutz-Komet seit 40 Jahren, C/2011 W3 (Lovejoy) ist nicht nur in seinem Perihel nicht knapp über der Sonnenoberfäche spurlos verdampft – er war danach sogar heller als zuvor und entwickelte einen beachtlichen Staubschweif. Kurz nach dem Perihel war Lovejoy so hell, dass er bei klarem Himmel am Tage wenige Grad neben der Sonne fotografiert und vereinzelt auch im Feldstecher geortet werden konnte: Das war zuletzt vor knapp 5 Jahren beim großen McNaught der Fall gewesen. Seither ist die Helligkeit der Koma, die zeitweise –3m bis –4m erreicht hatte, schon wieder um viele Größenklassen gefallen, doch geblieben sind ein etwa 15° langer Staub- und ein kaum kürzerer Plasmaschweif, die inzwischen auch wieder an dunklem Himmel zu sehen sind. Dies gelingt leider nur auf der Südhalbkugel, wo die Schweife in der Morgendämmerung fast senkrecht über den Horizont steigen. Die geometrischen Bedingungen verbessern sich in den kommenden Tagen sogar noch, und die Staubschweife von Kreutz-Kometen sind bekannt dafür, nur langsam an Helligkeit zu verlieren.

Wie es Lovejoys Kern überhaupt geschafft hat, die extreme Sonnenhitze zu überstehen, darüber wird nun emsig gerätselt: Vermutlich war er – jedenfalls vor dem Perihel – doch erheblich größer als die zuvor vermuteten 100m Durchmesser. Inzwischen wird eher auf mindestens 500m getippt, die aber in den kritischen Stunden stark geschrumpft sein dürften. Auf jeden Fall hatte Lovejoy im Perihel seinen Staubschweif verloren, der noch geisterhaft seine Bahn Richtung Sonne nachzeichnete, während der Komet bereits auf dem Weg nach draußen binnen weniger Stunden neue Schweife entwickelte. Nicht weniger als sechs Weltraumobservatorien hatten seine Erlebnisse in Sonnennähe und inmitten der Sonnenkorona verfolgen können (und dank souverän in Echtzeit ins Web gestellter Bilder konnte die Öffentlichkeit fast live daran teilhaben): Eigentlich sollte dokumentiert werden, wie die Zerstörung eines Kometen an der Sonne abläuft, nun aber sind völlig neuartige Daten verfügbar geworden. Zu erkennen ist z. B., wie der Plasmaschweif in der Korona zerzaust wird und heftig schwingt: offenbar Wechselwirkungen mit den Magnetfeldern der Sonne. Inzwischen liegt die Verfolgung von Lovejoys weiterem Schicksal wieder in den Händen bodengebundener Beobachter – und Aufnahmen des Kometen vom 21. Dezember deuten möglicherweise auf ein beginnendes Zerbrechen des Kerns hin. Theoretisch ist Lovejoy ab Februar 2012 wieder von unseren Breiten aus zu sehen. Seine Helligkeit wird dann aber jenseits 15m liegen und er wird in den Tiefen des Alls verschwinden, denn seine Umlaufperiode beträgt mehrere hundert Jahre.

Daniel Fischer

Entwicklungsphasen des Kometen:
cometography.com/lcomets/2011W3.html
Protokoll des Perihels:
sungrazer.nrl.navy.mil/index.php?p=news/birthday_comet
Lovejoy in Australien:
users.tpg.com.au/vtabur/2011w3/2011w3.htm

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