Sonne: Warum Protuberanzen manchmal stillstehen

Abb.: Violette Strontium- und gelbe Natrium-Linie entlang zweier Positionen des Messspaltes über eine Protuberanz – rechts im Licht der roten Wasserstoff-Emission. Dr. Eberhard Wiehr

Sie sind spektakulär und auch von Amateurastronomen zu beobachten: Protuberanzen am Sonnenrand, die vor der Sonnenscheibe als Filamente zu sehen sind. Erkennen lassen sie sich etwa während einer totalen Sonnenfinsternis, mit Protuberanzenansätzen oder modernen Kleinteleskopen, die mit einem Filter ausgestattet sind, welche den Zugang zum Hα-Licht gestatten.

Einige Protuberanzen sind eruptiv und schleudern die auf gigantischen Magnetfeldern gehaltene Sonnenmaterie – die aus einem ionisierten Plasma besteht – in den umgebenden Weltraum hinaus. Andere wiederum scheinen wochenlang auf der Stelle zu verharren und entschwinden dem Blick irdischer Beobachter nur aufgrund der Sonnenrotation.

Eine Arbeitsgruppe des Instituts für Astrophysik der Fakultät für Physik der Georg-August-Universität Göttingen unter Dr. Eberhard Wiehr hat diese sogenannten stationären Protuberanzen jetzt näher untersucht. Die Forscher stellten dabei fest, dass sich die Ionen im Magnetfeld, das ihnen den Halt gibt, nur in ganz geringem Umfang bewegen können. Das ist der Grund, warum stationäre Protuberanzen für den Beobachter so lange stillzustehen scheinen.

Wichtig für das Zustandekommen dieser Erscheinung ist die Dichte des Plasmas, die bisher nur wenig untersucht worden ist. Zur Bestimmung dieser Dichte bedient man sich der Methoden der Spektralanalyse. Sie war schon 1859 durch Kirchhoff und Bunsen »entdeckt« worden und wird nicht nur bei Planeten, Sternen und Galaxien angewandt, sondern eben auch bei der Sonne. Mit ihr können einzelne Linien bestimmter chemischer Elemente untersucht werden, was im Sonnenplasma bislang nur mit sehr großer Ungenauigkeit möglich war. Um diese Genauigkeit der Messungen zu erhöhen, wandten die Forscher einen Trick an: Bei Sonnenaufgang wird durch die Absorption der Erdatmosphäre das Licht unterschiedlicher Wellenlängen verschieden stark auf den Standort des Beobachters hin gebrochen. Die Folge ist, dass die Sonne in der einen Wellenlänge ein wenig höher über dem Horizont zu stehen scheint, als in der anderen.

Die Wissenschaftler haben genau diesen, nur wenige Augenblicke andauernden Zeitpunkt genutzt, um aus dem Helligkeitsverhältnis zweier Spektrallinien zueinander, nämlich die des ionisierten Strontiums und des neutralen Natriums, die Elektronendichte im Plasma zu bestimmen. Die Beobachtungen wurden mit dem 70-Zentimeter-Sonnenteleskop auf Teneriffa vorgenommen.

»Da in Protuberanzen fast alle Atome ionisiert sind, kann das Strontium-Ion seine violette Linie sofort abstrahlen«, so Dr. Wiehr in einer Pressemitteilung. »Das Natrium-Ion hingegen muss erst ein freies Elektron einfangen, bevor es als neutrales Atom die bekannte gelbe Spektral-Linie emittieren kann. Das Verhältnis der Stärke beider Emissionen ist daher ein Maß für die Elektronen-Dichte.«

Abb.: Fadenförmige Strukturen einer Protuberanz über dem Sonnenrand (unten) im Licht der roten Wasserstoff-Emission. Dr. Eberhard Wiehr

Ganz einfach waren die Messungen indes nicht, denn der große Farbunterschied zwischen den beiden Spektrallinien sorgte für eine ganze Reihe messtechnischer Probleme am Spektrographen des Sonnenteleskops, die auch durch die lokalen Luftbedingungen (engl. Seeing) entstanden.

Aus den Messungen ergab sich eine Dichte von 20 Milliarden Elektronen pro Kubikzentimeter in helleren Protuberanzen und 40 Milliarden Elektronen pro Kubikzentimeter in den dunkleren. Damit lag die Elektronendichte etwa zehnmal höher als in der Sonnenkorona. Während sie normalerweise in der Korona mit zunehmender Höhe vom »Sonnenrand« abnimmt, ist dies bei den stationären Protuberanzen nicht der Fall. Ihre Dichte bleibt erstaunlicherweise auch während ihrer gesamten Lebensdauer nahezu gleich. Warum das so ist, ist nicht ganz klar und soll in einer weiteren Beobachtungskampagne mit dem 45-Zentimeter-Sonnenteleskop in Locarno näher untersucht und überprüft werden.

Beim Prozess der Ionisation des Wasserstoffs werden durch das Einwirken ultravioletter Strahlung einzelne Elektronen freigesetzt. Somit kann man aus der Elektronendichte auf die Intensität des UV-Lichts bzw. die UV-Transparenz in den Protuberanzen rückschließen. »Diese hängt auch vom gegenseitigen Abstand der Protuberanzen-Strukturen ab, die fadenförmig nach unten hängen. Ihr Durchmesser ist kleiner als 100 Kilometer und damit bisher nicht genau ermittelbar. Sie aber spielen offenbar eine entscheidende Rolle bei den physikalischen Vorgängen im Protuberanzen-Plasma«, so Wiehr. In der für die nächsten Monate angesetzten Beobachtungskampagne in Locarno soll auch das näher erforscht werden.

Wenn man als Sonnenfreund das nächste Mal unseren Stern im Hα-Licht betrachtet und dabei auch eine etwas komplexere Protuberanz zu Gesicht bekommt, lohnt es sich, einmal über die hochkomplexen physikalischen Prozesse nachzudenken, die hinter diesen Erscheinungen stehen.

LINK:
Pressemitteilung der Georg-August-Universität Göttingen http://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?cid=5884

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