Kataklysmische Veränderliche: Grenzen zwischen den Typen verschwimmen

Die Nova-Schale um den novaähnlichen Stern V1315 Aquilae genau in der Bildmitte, aufgenommen im H-Alpha-Licht des Wasserstoffs mit dem Isaac Newton Telescope, einem 2,54-m-Spiegelteleskop auf La Palma: Hier hat ein Kataklysmischer Doppelstern seinen Typ gewechselt - was gar nicht so ungewöhnlich zu sein scheint. [Sahman et al.]

Der aktuelle Nova-Ausbruch der Zwergnova V392 Persei – inzwischen ist die Helligkeit auf etwa 9 mag. gefallen – mischt das Forschungsfeld der Kataklysmischen Veränderlichen auf: Exakt das beobachtete Szenario hat es bislang nicht gegeben, wohl aber eine Reihe anderer Fälle, in denen solche ausbruchsfreudigen Doppelsterne ihre Klasse gewechselt haben. Der jüngste war keine zwei Wochen vor der Nova bekannt geworden.

Kataklysmische Veränderliche sind enge Doppelsysteme aus einem Weißen Zwerg und einem Begleiter, der Materie an ihn verliert: Mindestens ein halbes Dutzend Grundtypen werden dabei unterschieden, die vor allem von der Art des Massenzuflusses abhängen aber auch der Bahnperiode und dem Magnetfeld des Weißen Zwergs. Von Interesse hier sind die Nova-Ausbrüche – thermonukleare Explosionen des angesammelten Gases auf seiner Oberfläche mit einer Helligkeitssteigerung um 10 und mehr Größenklassen – sowie Systeme, bei denen es sich in einer Akkretionsscheibe um den Weißen Zwerg sammelt: Ist der Massenzufluss hoch, bleibt sie stabil, und das System zeigt wenig Variabilität. Gleichwohl werden solche Systeme als „novaähnlich“ bezeichnet, weil ihre Spektren denen von Novae vor oder nach ihren Ausbrüchen ähneln. Bei geringerem Massenfluss werden die Scheiben dagegen instabil, und es kommt immer wieder zu Zwergnova genannten moderaten Helligkeitsausbrüchen von 3 bis 5 Größenklassen. Seit über 30 Jahren wird aber schon vermutet, dass Kataklysmische Systeme auf Zeitskalen von 10000 bis 100000 Jahren zwischen den drei Typen wechseln können – und das jüngste Indiz dafür war erst im April beim novaähnlichen System V1315 Aquilae konstatiert worden. Bei ihm wurde eine typische Gasschale entdeckt, wie sie nur bei einem Nova-Ausbruch entsteht. Der müsste vor 500 bis 1200 Jahren stattgefunden haben, wobei die Nova 3. Größe erreicht haben sollte; passende Berichte darüber wurden in alten Chroniken allerdings nicht gefunden.

Ein klarer Zusammenhang zwischen den absoluten Helligkeiten von Zwergnovae im Mini- und Maximum (rot bzw. blau; y-Achse im V-Band) und der Bahnperiode im Doppelsternsystem (x-Achse in Stunden) – auch novaähnliche Systeme und solche nach Nova-Explosionen (gelb) passen in dieses Bild und ebenso der Fall V1213 Centauri (schwarz: unten vor und oben nach dem 2009-er Nova-Ausbruch). [Mróz et al.]
Nova-Schalen waren bereits um die Zwergnovae Z Camelopardalis und AT Cancri und die vermeintliche „Nova“ Scorpii 1437 entdeckt worden (die heute mit einer Zwergnova assoziiert wird): Sie alle haben einmal Nova-Ausbrüche erlebt. Bei einer ganzen Reihe klassischer Novae ist wiederum lange vor oder nach dem großen Ausbruch Zwergnova-artiges Verhalten festgestellt worden, wenn auch mit manchmal nur sehr schwachen Ausbrüchen: V446 Herculis, GK Persei, Q Cygni und mehr fallen z.B. in diese Kategorie. V1017 Sagittarii hat binnen 70 Jahren nacheinander Ausbrüche um 4, 8 (eindeutig eine Nova) und wieder 4 Größenklassen gezeigt, während BK Lyncis nach einem klassischen Nova-Ausbruch im Jahr 101 sogar erst als novaähnliches System und dann als Zwergnova aufgetreten ist. Und V1213 Centauri schließlich war erst eine Zwergnova mit geringem Massenfluss, brach dann als Nova Centauri 2009 aus und ist seither konstant zwei Größenklassen heller als vor der Nova (Grafik): Hier ist wohl der Massentransfer in deren Folge stark angestiegen. Veränderungen im Massenfluss zum Weißen Zwerg sind offensichtlich der Schlüssel für markante Veränderungen im Verhalten Kataklysmischer Veränderlicher: Bereits seit 1982 an einem Szenario gefeilt, das Hibernation (also Winterschlaf) genannt wird. Danach sind die Systeme nach einem Nova-Ausbruch zunächst Jahrhunderte lang heller als davor, denn der ansonsten unbeschädigte Weiße Zwerg ist nach der Explosion besonders heiß, und der Massenfluss ist noch erhöht. Später kühlt sich der Zwerg wieder ab, und der Fluss sinkt: Jetzt sind allenfalls noch Zwergnova-Ausbrüche möglich – bis es nach zehntausenden bis Millionen Jahren wieder zu einer Nova reicht.

LINKS:

Paper zu V1315 Aquilae: https://arxiv.org/abs/1804.05596
Paper zu V1213 Centauri: https://arxiv.org/abs/1608.04753
Paper zum Hibernations-Szenario: http://adsabs.harvard.edu/full/1992ASPC…29..269L

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