Großteleskope in den USA vor der Schließung?

Das Green Bank Telescope (GBT) ist mit seiner 110m × 100m großen Schüssel das größte freibewegliche Teleskop der Welt. [NRAO/AUI]

Endlich ein realistischer Plan für die Zukunft der amerikanischen Astronomie, sogar von unabhängigen Finanzexperten durchgecheckt: Das schien »New Worlds, New Horizons in Astronomy and Astrophysics« zu sein, die vor genau zwei Jahren vorlegte neueste »Decadal Survey« zu neuen Instrumenten. Doch die finanzielle Lage der USA hat sich seither derart verschlechtert, dass das zugrunde gelegte Budget-Profil für die nächsten Jahre bald völlig unrealistisch erschien: Letztes Jahr wurde eine neue Studie in Auftrag gegeben, die jetzt vorliegt – und mit dramatischen Forderungen die optischen, vor allem aber die Radioastronomen des Landes wie auch international erschreckt hat. Die 17 Astronomen hatten vor der unerfreulichen Aufgabe gestanden, die Prioritäten zu wahren: Mehrere Großprojekte der erdgebundenen Astronomie wie das Large Synoptic Survey Telescope, das Advanced Technology Solar Telescope und ein optisches Teleskop der 20-Meter-Klasse waren darin als unverzichtbar erklärt worden, um die US-Astronomie auch in der kommenden Dekade konkurrenzfähig zu halten. Daran konnten nicht gerüttelt werden, und so blieb nur der vorgeschlagene Rückzug der öffentlichen Hand aus mehreren bekannten Sternwarten.

»Divestiture« lautet das Schreckenswort, das man mit Vermögensveräußerung übersetzen kann: Die National Science Foundation, die sich in den USA um die bodengebundene Infrastruktur für alle Astronomen kümmert (während privat finanzierte Sternwarten meist nur den eigenen Leuten offen stehen), möge sich binnen fünf Jahren vom größten freibeweglichen Radioteleskop GBT, dem das ganze Land überdeckenden Radiointerferometer VLBA und gleich vier optischen Teleskopen auf dem Kitt Peak trennen! 18 Monate darf nach alternativen Sponsoren gesucht werden, sonst droht die Schließung. Der Einspareffekt wäre mit 20 Mio. Dollar im Jahr zwar vergleichsweise gering, aber anders seien die Investitionen in die neuen Instrumente und der Betrieb vieler anderer bestehender Einrichtungen einfach nicht möglich. Vor allem unter den Radioastronomen – auch in Deutschland – ist das Unverständnis dennoch groß: Gerade die beiden Instrumente auf der Abschussliste seien auf der Höhe der Zeit und jeweils weltweit führend, dank cleverer Upgrades in den letzten Jahren. Und die bedrohten optischen Teleskope gelten wiederum für Jungastronomen als unverzichtbar. Die Regierung muss den Empfehlungen des drastischen Papiers zwar nicht folgen, aber Alternativen sind angesichts der knappen NSF-Kassen nicht offensichtlich.

Daniel Fischer

Der Bericht:
www.nsf.gov/mps/ast/ast_portfolio_review.jsp
Reaktion im Radiobereich:
www.nrao.edu/pr/2012/portfolio/
Die Decadal Survey:
www.oculum.de/newsletter/astro/100/10/7/117.bo1nc.asp#5

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