Die innere Milchstraße – wie sie Herschel sah

Der Emissionsnebel NGC 6357 - im Deutschen manchmal Hummer-Nebel, im Englischen War & Peace Nebula genannt - in einem Falschfarbenbild des Infrarot-Satelliten Herschel: Den Farben Blau, grün und Rot wurden Bilder bei 70, 160 und 350 µm Wellenlänge zugeordnet. Mehrere Haufen junger Sterne haben für Aushöhlungen im leuchtenden Gas gesorgt. [ ESA/Herschel/PACS, SPIRE/Hi-GAL Project: G. Li Causi, IAPS/INAF]

Vor drei Jahren hat er den Betrieb eingestellt, nachdem das Kühlmittel ausgegangen war, aber das Vermächtnis des Infrarot-Satelliten Herschel der ESA wird erst allmählich greifbar. Unter seinen vielen Beobachtungsprojekten war die Herschel infrared Galactic Plane Survey (Hi-GAL) das größte: 900 Stunden Belichtungszeit wurden investiert, um mit den Kameras PACS und SPIRE rund 800 Quadratgrad des innersten Bereichs der Milchstraße in fünf Farben von 70 bis 500 µm mit 4 bis 40 Bogensekunden Auflösung zu kartieren. Diese Daten liegen seit heute erstmals in voller Qualität öffentlich vor, im Data Release 1 (DR1): Von einer „ultimativen Volkszählung“ ist die Rede, einem noch nie da gewesenen homogenen Datensatz zu „allen Umweltarten des galaktischen Ökosystems“, mit Leuchtkräften, Temperaturen und (groben) Spektren von Himmelskörpern ganz verschiedener Größenskalen, vom kompakten Stern bis zu kompletten Spiralarmen. Der abgetastete Streifen reicht von 68° bis -70° galaktischer Länge, folgt der geringfügigen Krümmung der Milchstraße und ist bis zu 2° breit – und Kataloge, die aus den Bildern extrahiert wurden, enthalten je nach Farbe 85500 bis 308500 Objekte.

Hi-GAL – oben ein winziger Ausschnitt um ein Sternentstehungsgebiet im Skorpion, das 1837 ein anderer Herschel, der Astronom John Herschel nämlich, in Südafrika entdeckt hatte – zeigt Strukturen in der Milchstaße auf allen Größenskalen, von diffus verteiltem Gas und Staub über riesige Filamente bis zu Verklumpungen, wo die Dichte für die Bildung von Sternen ausreicht. Hier ist von protostellaren Klumpen über Protosterne in verschiedenen Entwicklungsphasen bis zu ausgewachsenen Sternen, die Hohlräume im Gas erzeugen, der gesamte Zoo vertreten. Weil es für Hi-GAL als Schlüsselprojekt der ganzen Satellitenmission keine Reservierungsfrist für die Daten gab, konnten Astronomen schon einige Jahre mit dem Material arbeiten, doch der DR1 ist wesentlich besser aufbereitet. Und er ist noch nicht das Ende: Weitere Data Releases – der nächste kommt Ende dieses Jahres – werden ein noch größeres Feld der Milchstraße umfassen, und die Kataloge daraus sollen dank verbesserten Umgangs mit dem variablen diffusen Hintergrund noch deutlich mehr Objekte enthalten.

Daniel Fischer

LINKS:
Homepage von Hi-GAL: https://hi-gal.ifsi-roma.inaf.it/higal/
Originalarbeit zum DR1: http://www.aanda.org/articles/aa/pdf/forth/aa26380-15.pdf
ESA Press Release dazu: http://sci.esa.int/herschel/57755-new-herschel-maps-and-catalogues-reveal-stellar-nurseries-across-the-galactic-plane/

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