Was ist eigentlich … die Nachführgeschwindigkeit?

Abb. 1: Lang belichtete Aufnahmen des Sternenhimmels ohne Nachführung ergeben Strichspuren [Peter Oden]

Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Arten von Montierungen bzw. der Art und Weise, wie ein Teleskop (oder eine Kamera) auf einer Montierung zu bewegen ist.

Die intuitiv am einfachsten verständliche ist die Alt/Az-Montierung. Hierbei wird das Teleskop in einer Drehebene, die parallel zum Horizont liegt, in Richtung des Beobachtungsobjektes gedreht (Azimuth) und anschließend vertikal verstellt (Altitude), bis das Zielobjekt genau im Blickfeld liegt. Dies ist z.B. genau das Prinzip eines Dobsons.

Bei einer äquatorialen Montierung (im Ausland gerne als deutsche Montierung bezeichnet) sieht alles ein wenig schräg verkantet aus. Dies liegt daran, dass eine der beiden Drehachsen so ausgerichtet wird, dass sie exakt parallel zu einer Linie durch die beiden Erdpole und damit genau zur Drehachse der Erde ist.

Will man die scheinbare Bewegung der Sterne im Laufe der Zeit über den Nachthimmel ausgleichen, so reicht bei einer äquatorialen Montierung lediglich eine Drehung um diese Achse aus. Und da die Drehgeschwindigkeit konstant ist, reicht bereits der Einsatz eines einfachen kleinen Motors, um ein gewünschtes Objekt über längere Zeit im Blickfeld zu behalten.

Schwieriger ist es dagegen bei den oben beschriebenen Alt/Az-Montierungen, so etwas zu erreichen. Hier muss die Rotation der Erde – und damit des sichtbaren Sternenhimmels – in zwei Achsen ausgeglichen werden und dies dazu mit wechselnden Geschwindigkeiten, was eine Computersteuerung unausweichlich macht.

Abb. 2: Moderne Reisemontierung mit diversen Nachführgeschwindigkeiten [Peter Oden]
Die Nachführung eines Teleskops sorgt also dafür, dass ein beobachtetes Objekt immer mittig im Blickfeld bleibt. Nun bewegt sich aber nicht jedes Objekt (scheinbar) mit derselben Geschwindigkeit über den Himmel. Deshalb bieten die Nachführungen heutzutage gleich mehrere Geschwindigkeiten:

Siderisch:
Dies ist die Geschwindigkeit, mit der sich scheinbar der Sternhimmel bewegt. Eine volle Umdrehung geschieht in 23 Stunden und 56 Minuten (exakt 86.164,099 Sekunden). Der Unterschied zu 24 Stunden rührt daher, dass sich die Erde in dieser Zeit auf ihrer Bahn um die Sonne bereits etwas weiterbewegt hat. Sie muss sich also noch etwas weiterdrehen, bis in Bezug auf die Sonne ein ganzer Tag vergangen ist. Im Laufe von 365 Tagen „dreht“ sich der Sternenhimmel also 366 mal um die Erde. Somit dauert ein siderischer Tag ca. 365 / 366 = 0,99726775… , was dem oben genannten Wert entspricht.

Solar:
Für Beobachtung und Aufnahmen der Sonne wird die Nachführung auf solare Geschwindigkeit gestellt. Damit erfolgt eine komplette Drehung der Montierung in exakt 24 Stunden.

Lunar:
Der Mond hat eine deutlich veränderte Geschwindigkeit, denn er wandert konstant rückwärts über den Sternenhimmel. Nach 28 Tagen ist er dann wieder an der gleichen Stelle des Himmels angekommen. Das bedeutet, dass sich seine Geschwindigkeit von der siderischen um 360°/28 Tage unterscheidet. Dies sind 12,86° pro Tag oder 0,54° pro Stunde oder 0,54 Bogenminuten pro Minute. Selbst eine 10-Sekunden-Aufnahme wäre hiermit schon in den kleinen Details verwischt.

Mit einem Fotoapparat und den kürzeren Brennweiten ist zwar eine Nachführung besonders für Aufnahmeserien ebenfalls wichtig, aber nicht ganz so kritisch. Die sogenannte 500er-Regel besagt, dass 500 geteilt durch die (auf Kleinbild bzw. Vollformat umgerechnete) Brennweite der Kamera die Anzahl an Sekunden ergibt, die man belichten kann, ohne dass die Sterne zu Strichen verschmieren. Mit einem 85mm-Objektiv kann man also 6 Sekunden die Sterne belichten, ohne dass sich nennenswerte Strichspuren ergeben. Für manche Nachtaufnahmen, speziell wenn ein irdischer Vordergrund mit im Bild sein soll,  ist dies durchaus noch zu knapp. Aus diesem Grunde gibt es an neueren Montierungen noch die

Halbe Siderische Geschwindigkeit:
Mit dieser Geschwindigkeit wird zwar der irdische Vordergrund ebenfalls minimal verschmiert, die Belichtungszeit für Sterne verdoppelt sich allerdings. Mit dem 85mm-Objektiv kann man also jetzt 12 Sekunden belichten, ohne dass Vordergrund oder Sterne nennenswert verschmieren.

2 Kommentare zu Was ist eigentlich … die Nachführgeschwindigkeit?

  1. Zur lunaren Nachführgeschwindigkeit:
    Bei 0,54° pro Stunde (=32,24Bogenminuten) werden es pro Minute wohl kaum 54 Bogenminuten sein, sonst wäre der Mond pro Minute schneller als pro Stunde! Aber selbst wenn „Bogensekunden“ gemeint waren, stimmt der Wert immer noch nicht. 0,54° pro Stunde ergeben sich zu 32 Bogensekunden pro Minute. Verflixte Sache, Dezimalgrad in Bogenminuten/-sekunden umzurechnen… 😉

    • Danke für das Feedback, über das ich mich immer freue.
      In diesem Fall ist die Rechnung tatsächlich richtig. 0,54 Bogenminute pro Minute sind eben 32 Bogensekunden pro Minute.
      Es ist wirklich immer schwierig, Bogengrade in Dezimaldarstellung zu bringen. Ich werde beim nächsten Mal auf eine noch klarere Darstellung achten!

      Pro Tag : 12 Grad 51 Bogenminuten
      Pro Stunde : 32 Bogenminuten 9 Bogensekunden
      Pro Minute : 32,.. Bogensekunden

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