Wie Kometen im Anflug auf die Sonne untergehen

Der Sturz des Kometen in der Nacht vom 5. zum 6. Juli: Der ausgeprägte Schweif dieses Kometen der Kreutz-Gruppe auf einem Bild des Koronographen LASCO C2 des Sonnensatelliten SOHO ließ schon erahnen, dass ein größerer Kern dahinter stecken musste. [ESA]

Welch ein Zufall: In der Nacht vom 5. zum 6. Juli konnte ein Sonnensatellit zum ersten Mal direkt dabei zuschauen, wie ein größerer Komet auf die Sonne zu stürzt und sich dabei auflöst – und fünf Tage später erschien, natürlich unabhängig von dem Ereignis, die erste detaillierte theoretische Analyse über jene Prozesse, die einem Kometen beim Sonnensturz widerfahren. Sein Ende hängt demnach vor allem von zwei Faktoren ab: seiner Masse und der Periheldistanz, die er – ohne die Sonne im Weg – erreichen würde. Drei verschiedene Schicksale kann ein sonnenkratzender Komet erleiden: Er kann durch die Sonnenstrahlung komplett sublimieren und als Gaswolke verschwinden. Er kann durch Reibung an der inneren Korona mehr und mehr Masse verlieren (Ablation), bis es ihn zerrieben hat. Oder er kann beim Eintritt in die Sonnenatmosphäre regelrecht explodieren, wenn der Staudruck zu groß wird. Bis 0,01 Sonnenradien (14000km) über der Oberfläche überwiegt die Sonnenstrahlung als destruktiver Prozess, dann aber übernimmt die Ablation, weil die Gasdichte exponentiell zunimmt. Kometen ab einer bestimmten Masse überstehen aber auch das, und ab einer Masse von 100 Mrd. t müssten sie es sogar bis zur Photosphäre schaffen, bevor sie explodieren. Die allergrößten Kometenkerne setzen dann sogar mehr Energie frei als so mancher Sonnenflare, was wiederum für die Erde interessant sein kann.

Der Komet vom 5./6. Juli gehörte nicht zu dieser explosiven Kategorie, auch wenn er einen für Kometen der sonnenstürzenden Kreutz-Gruppe relativ prächtigen Staubschweif entwickelte. Zur Verblüffung der Sonnenforscher mit dem Solar Dynamics Observatory tauchte der Komet kurz vor seinem Ende auf Ultraviolett-Aufnahmen bei 17nm Wellenlänge auf, erst vor dem dunklen Himmel, dann sogar vor der Sonnenscheibe! Dort konnte das UV-Teleskop verfolgen, wie er immer schwächer strahlte und schließlich einfach verschwand. Wie der erste Autor der theoretischen Studie, John Brown aus Glasgow, gegenüber interstellarum erklärte, ist dieser Komet eindeutig dem ersten Szenario zum Opfer gefallen, also in der Sonnenstrahlung einfach verpufft: Der Kern hatte eine Masse von nur etwa 100000t, so dass er gar nicht bin in den Ablations- oder gar Explosionsbereich vordringen konnte. Kurioserweise sind sich die Sonnen- wie Kometenforscher noch keineswegs sicher, warum der Komet überhaupt auf den 17nm-Aufnahmen heller als die Sonne strahlt und damit zum ersten Kometen wurde, der überhaupt vor der Sonne beobachtet wurde. Eine Möglichkeit wäre extreme Vorwärtsstreuung des Sonnenlichts an Staubteilchen der richtigen Größe, eine andere derselbe Ladungsaustausch zwischen Sonnenwind bzw. Korona und Kometengas, der für die Röntgenstrahlung vieler Kometen sorgt.

Daniel Fischer

Originalarbeit:
arxiv.org/abs/1107.1857
SDO-Video des Kometenendes:
www.nasa.gov/mission_pages/sunearth/news/comet-streaks-sun.html
Kontrastverstärkte Version:
cometal-comets.blogspot.com/2011/07/sdo-sees-soho-comet.html

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*