Während Sonnenfinsternissen nach »Vulcanoids« suchen?

Leser des Artikels von Landon Curt Noll in Sky & Telescope 111 # 1 [Januar 2006] 87 mögen gestutzt haben: Amateuren soll sich während totaler Sonnenfinsternisse die Chance bieten, kleine Planeten innerhalb der Merkurbahn zu entdecken – die den Profis trotz des Einsatzes aufwändigster Technik stets entgangen sind? Nun stehen zwar manchen Amateuren heute schon Kamerasysteme zur Verfügung, die vor ein paar Jahren noch Stand der Technik in der Fachastronomie waren, aber diesen Autor hat denn doch sein Enthusiasmus davongetragen. Eine kleine aber energische Arbeitsgruppe am Southwest Research Institute (SwRI) im US-Bundesstaat Colorodo hat nämlich in den letzten fünf Jahren nichts unversucht gelassen, um diesen hypothetischen »Vulcanoids« nachzustellen. Und dabei aus großer Höhe tiefere Abtastungen des Himmels rund um die Sonne durchgeführt, als sie vom Erdboden aus selbst während einer totalen Sonnenfinsternis möglich sind.

Daß es innerhalb der Merkurbahn stabile Orbits von Asteroiden gibt, auf denen sich Körper seit Beginn des Sonnensystems gehalten haben könnten, davon waren viele Astronomen schon seit dem 19. Jahrhundert stillschweigend ausgegangen (und hatten dort gar einen großen Planeten, »Vulcan«, vermutet). Doch die erste konkrete Voraussage in dieser Richtung erschien erst 1999, als Ergebnis umfangreicher Simulationsrechungen (Evans & Tabachnik, Nature 399 [6.5.1999] 41): Asteroiden konnten demnach in einer Zone zwischen 0.09 und 0.21 Astronomischen Einheiten (13 bis 30 Mio. km) Abstand von der Sonne Milliarden Jahre lang existieren. Dieser hypothetische Gürtel aus Vulcanoids war deswegen so stabil, weil nur ein einziger Planet – Merkur – in der Nähe ist. Spätere Berechnungen ließen allerdings Zweifel an einer nennenswerten Population in der Vulcanoid-Zone aufkommen: Die Bewohner würden demnach untereinander so häufig zusammenstoßen, dass sie sich gegenseitig mehr und mehr zermahlen.

Mithin sei es unwahrscheinlich, dass es in der gesamten Vulcanoid-Zone mehr als ein paar hundert Objekte mit Durchmessern größer als 2 km gibt. Wieder neue Simulationen der ursprünglichen Autoren zeigen, dass der Vulcanoid-Gürtel, der sich zwischen 0.09 und 0.20 AU Sonnenabstand erstreckt, bei 0.15 und 0.18 AU Lücken aufweisen dürfte, verursacht durch Resonanzen mit Merkur und Venus. Vulcanoids von 1 km Durchmesser und mehr seien aber insbesondere zwischen 0.16 und 0.18 AU = 24 bis 27 Mio. km Sonnenabstand zu erwarten (Evans & Tabachnik, MNRAS 333 # 1 [1.6.2002] L1) – leider erstreckt sich diese stabile Zone nur bis in maximal 12° Sonnenabstand am Himmel. Weder Suchprogramme im Infraroten noch mit den Koronographen der Sonnensonde SOHO (Schumacher & Gay, A&A 368 [2001] 1108 und Durda & al., Icarus 148 [2001] 312) konnten irgend ein Vulcanoid mit mindestens 50 km Durchmesser aufspüren, und in diesem Bereich liegt wegen der Helligkeit der Dämmerung auch die prinzipielle Nachweisgrenze vom Erdboden aus.

Aber da gab es ja noch die Hornets der NASA: Sechsmal sind im Jahre 2002 Astronomen des SwRI auf dem Rücksitz eines dieser Kampfflugzeuge des Typs F/A-18B mitgeflogen, um mit einer dort montierten Videokamera nebst Bildverstärker in 15 km Höhe nach Vulcanoids zu fahnden. SWUIS-A, für »Southwest Universal Imaging System – Airborne«, hieß diese Anordnung, von der eine andere Version auch schon zweimal mit einem Space Shuttle unterwegs war (Durda, Sky & Telescope 104 # 2 [August 2002] 10). Leider erwies sich das atmosphärische Streulicht auch under diesen Idealbedingungen als immer noch stark: Statt der unter dunklem Nachthimmel möglichen Grenzgröße von 13 mag. schaffte SWUIS-A in der Zone der möglichen Vulcanoids nur den sicheren Nachweis von Sternen der Helligkeit 9.5 (in 15° Sonnenabstand) bis 11 mag. – und fand keinen einzigen Vulcanoid.

Die 2002-er SWUIS-Flüge haben also bereits eine um mindestens 1 mag. schärfere Obergrenze für mögliche intramerkurielle Asteroiden geliefert als die SOHO-Auswertungen: Keiner kann größer als 18 km sein. Bei einem Raketenflug war im Januar 2004 erneut eine empfindliche Kamera dabei, die zwar Grenzgröße 11 mag. an dunklem Himmel erreichte – doch in der Vulcanoids-Zone war erneut das Streulicht so stark, dass keine neue Obergrenze herauskam (Durda, Planetary Report 25 [Jan. 2005] 14). Wenn man nun bedenkt, wie hell der Himmel bei einer totalen SoFi bleibt, dann dürften die Chancen für eine Vulcanoid-Entdeckung nahe Null tendieren. Auch die SwRI-Forscher hatten einmal über Beobachtungen während einer Sonnenfinsternis nachgedacht, doch dies bald wieder verworfen. Die Suche ist inzwischen praktisch eingeschlafen, aber man darf ja träumen: Ideal wäre es, eine Kamera wie SWUIS mit einem Spionageflugzeug von Typ U-2 in über 20 km Höhe zu tragen und dann ganz lange zu belichten …

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