Superferne Galaxie: Sternentstehung schon 250 Mio. Jahre nach dem Urknall

Der Galaxienhaufen MACS J1149.5+2223 mit dem Hubble Space Telescope und im Ausschnitt die von ihm per Linsenwirkung verstärkte sehr ferne Galaxie MACS1149-JD: Ihr Bild stammt vom Radioteleskop ALMA in der 'verbotenen' Emissionslinie von zweifach ionisiertem Sauerstoff. [ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), NASA/ESA Hubble Space Telescope, W. Zheng (JHU), M. Postman (STScI), the CLASH Team, Hashimoto et al.]

Es ist letztlich nur eine einzige Helligkeitsmessung einer extrem weit entfernten Galaxie, aber im Kontext von Daten mehrerer Teleskope auf der Erde und im Weltraum erzählt sie davon, dass bereits 250 Millionen Jahre nach dem Urknall jede Menge Sterne im jungen Kosmos entstanden sind. Und ein Galaxienhaufen im Vordergrund hat mit seiner Schwerkraft mit geholfen, das alles überhaupt sichtbar zu machen.

Der Galaxienhaufen lässt die bereits 2012 entdeckte Hintergrundgalaxie MACS1149-JD1 um etwa einen Faktor 10 heller scheinen: genug für das große chilenische Radiointerferometer ALMA, um sehr deutlich eine ferninfrarote Emissionslinie des chemischen Elements Sauerstoff nachweisen zu können, genauer gesagt eine [O III]-Linie, also einem ‚verbotenen‘ und nur in sehr geringer Gasdichte möglichen Energie-Übergang um zwei ihrer Elektronen beraubter Moleküle. Nun kann – was damals nicht gelungen war – endlich die exakte Rotverschiebung der Galaxie abgelesen werden: 9,110±0,001. Und das bedeutet, dass wir sie zu einem Zeitpunkt ca. 530 Mio. Jahre nach dem Urknall sehen (und ihr Licht um die 13 Milliarden Jahre unterwegs war). Mit dieser Erkenntnis lässt sich nun die spektrale Energieverteilung der Galaxie bei viel kürzeren Wellenlängen – wo es von dem trotz Gravitationslinse extrem schwachen Objekt nur isolierte Helligkeitsmessungen in einzelnen Farben aber kein durchgehendes Spektrum gibt – auch quantitativ analysieren.

Da steckt das Signal von den Sternen in der Galaxie, die schon 250 Mio. Jahre nach dem Urknall leuchteten: Aufgetragen ist die Flussdichte in µJ gegen die wahre (oben) bzw. beobachtete Wellenlänge (unten) in µm. Die Messungen sind die schwarzen Quadrate: drei von Hubble, eine Obergrenze vom VLT und zwei Messungen von Spitzer. Die rote Linie ist ein Modell des Spektrums (Kreuze = Vorhersagen für die Messungen): addiert aus zwei Komponenten (dünne Linien). Ohne die ‚alte‘ (schwarz) mit 100 Mio. Jahre währender früherer Sternbildung ist die starke Strahlung bei 4,5 µm nicht zu erklären, während später entstandene Sterne (blau) für die Strahlung bei kurzen Wellenlängen sorgen sowie auch für die sehr langwellige Sauerstoff-Emission, die ALMA sieht. [Hashimoto et al.]
Der entscheidende Datenpunkt stammt dabei dabei von dem NASA-Infrarotsatelliten Spitzer: Er sieht bei 4,5 µm Wellenlänge „ein prominentes Exzess-Signal“ (im Diagramm das Quadrat ganz rechts) – und das kann bei der nun bekannten Rotverschiebung der Galaxie nicht durch Emissionslinien von Gas erklärt werden. Vielmehr muss es sich um Kontinuumsstrahlung handeln, die ohne die Rotverschiebung eine Wellenlänge um 400 Nanometer hätte: das kombinierte Glühen einer großen Anzahl von Sternen. Und diese Strahlungskomponente der Galaxie lässt sich modellieren: Noch 300 Millionen Jahre früher als die Galaxie uns heute erscheint, muss es in MACS1149-JD1 eine etwa 100 Mio. Jahre währende Phase heftiger Sternentstehung gegeben haben, bei einer Rotverschiebung von ca. 18 bis 13, also grob 200 bis 300 Millionen Jahre nach dem Urknall. Der üppige Sauerstoff, den ALMA sieht, ist bereits ein Produkt dieser ersten Sterngeneration. Und zukünftige Teleskope, namentlich das leider nicht vor 2020 startende James Webb Space Telescope, könnten in der Lage sein, diesen ersten Sternenschub des Kosmos bei noch ferneren Galaxien auch ganz direkt zu beobachten.

LINKS:
Originalarbeit: https://arxiv.org/abs/1805.05966
ESO Press Release: https://www.eso.org/public/news/eso1815
NRAO Press Release: https://public.nrao.edu/news/2018-alma-oxygen-iii

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