Nach dem Crash ist vor dem Crash: erst UARS, jetzt ROSAT

Klein aber (zu) robust: Der deutsche Röntgenastronomiesatellit ROSAT in der Testkammer vor seinem Start 1990 - 1,6 Tonnen davon hat die Erde bald wieder. [Dornier, heute EADS-Astrium]

Unkontrolliert abstürzende schwere Satelliten halten diesen Herbst die Raumfahrtagenturen wie die Öffentlichkeit in Atem: Eben erst ist am 24. September der Upper Atmosphere Research Satellite der NASA mit 6t sang- und klanglos mitten im Pazifik verschwunden, da steht bereits gegen Anfang November der Fall des deutschen Röntgensatelliten ROSAT bevor. Beide »Wiedereintritte« (Reentries) erregen vor allem deshalb Aufsehen, weil sie eine heute geltende Regel verletzten: Danach darf die Wahrscheinlichkeit höchstens 1:10000 betragen, dass irgendein Mensch von einem Teil des Satelliten getroffen wird, das den Boden erreicht (also 1:70 Milliarden, dass es einen bestimmten Menschen trifft). Diese Vorgabe galt bei den Starts von UARS und ROSAT 1991 bzw. 1990 noch nicht: Bei ihnen betrug bzw. beträgt das Risiko für einen Personenschaden 1:3200 bzw. sogar 1:2000. Verantwortlich für die relativ größere Gefahr durch den kleineren ROSAT – von dem bis zu 30 Teile mit 1,6t Gesamtmasse am Boden erwartet werden – ist vor allem sein schweres und gut hitzegeschütztes Röntgenteleskop. Irgendwo zwischen 53°N und 53°S wird es passieren. Und wie auch der UARS kann ROSAT schon lange nicht mehr gesteuert werden und hätte ohnehin kein Triebwerk für einen kontrollierten Reentry an Bord gehabt: Umso wichtiger ist daher die sorgfältige Verfolgung seiner Bahn, die derzeit noch rund 270km hoch ist aber täglich um mehr als einen Kilometer sinkt.

Wie schwierig das sein kann, hat der Fall des UARS nachdrücklich bewiesen: Sein letzter Erdumlauf lag so unglücklich nur über Wasser, dass er von keiner Radaranlage des weltumspannenden amerikanischen Netzes mehr erfasst wurde. Dieses betreibt nicht etwa die NASA selbst (die praktisch hilflos ist, wenn ein Satellit nicht mehr selbst sendet), sondern das US-Verteidigungsministerium, das sich wiederum nicht gerne in die Karten schauen lässt. So wird auch keine Auskunft gegeben, wie der nahezu maximal entlegene Absturzpunkt des UARS nach drei Tagen urplötzlich auf eine Zeitminute und 15km genau angegeben werden konnte, nachdem eben noch zigtausende Kilometer und eine Stunde Unsicherheit geherrscht hatten. Unabhängige Satellitenexperten sind sich praktisch sicher, dass direkte Beobachtungen der verglühenden Trümmer durch Infrarot-Frühwarnsatelliten die Datenquelle sind, über die das Pentagon allerdings am liebsten gar nicht spricht. Man darf gespannt sein, wie die ROSAT-Eigner DLR und Bundesregierung über das konkrete Ende des einzigen großen nationalen Astronomiesatelliten in etwa 6 Wochen informieren werden: Auch sie müssen sich letztlich weitgehend auf das amerikanische Militärradar verlassen. In ein paar Jahren könnte das übrigens anders sein, wenn der ESA-Ministerrat dem Aufbau eines vergleichbaren Netzwerks unter ziviler Kontrolle zustimmen sollte.

Daniel Fischer

UARS-Abschlussbericht:
www.nasa.gov/mission_pages/uars
DLR-Seiten zu ROSAT:
www.dlr.de/dlr/desktopdefault.aspx/tabid-10432/620_read-830
ESA-Pläne:
www.esa.int/SPECIALS/SSA/SEMYTICKP6G_0.html

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