Mit Planck schon das Ende der Kosmologie erreicht?

Das Bild der Kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung vom Satelliten Planck, mit 50 Mio. Pixeln auf der Sphäre: gewonnen aus seinen Himmelsdurchmusterungen und der Subtraktion aller Vordergrundquellen von nah bis fern sowie Effekten durch die Bewegung der Erde. Zu sehen sind nun winzige Schwankungen der Temperatur der Hintergrundstrahlung auf verschiedenen Größenskalen. [ESA und Planck Collaboration]

Um klare Aussagen ist das Wissenschaftlerteam um den europäischen Kosmologiesatelliten Planck nicht verlegen, seit am 21. März eine strikte Nachrichtensperre über den Stand ihrer Auswertungen aufgehoben wurde: Das Alter des Universums, zum Beispiel, betrage präzise 13,81 ± 0,05 Mrd. Jahre, und auch viele andere fundamentale Größen des Kosmos werden – in 29 gleichzeitig veröffentlichten Arbeiten mit zusammen 1500 Seiten – mit ähnlicher Präzision vorgerechnet. Das hat die meisten Berichterstatter hinreichend beeindruckt, die diese Zahlen als endgültige Wahrheiten begreifen – aber ist alles wirklich so eindeutig? Planck hat die winzigen Temperaturschwankungen der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung am gesamten Himmel mit dramatisch besserer Winkelauflösung als seine Vorgänger WMAP und erst recht COBE kartiert, und alle Schlussfolgerungen basieren auf diesem Muster, genauer gesagt: den unterschiedlich starken Variationen auf verschiedenen Größenskalen. Dieses »Powerspektrum« der Variationen lässt sich durch ein vergleichsweise einfaches kosmologisches Modell mit nur sechs freien Parametern mit nur geringfügigen Abweichungen bei den größten Skalen (die schon länger bekannt und in ihrer Relevanz umstritten sind) perfekt reproduzieren.

Eine Vielzahl kosmologischer Werte folgt dann alternativlos und mit kleinen Fehlergrenzen aus dem an das Planck-Spektrum angepassten Weltmodell: Will man auch nur einen davon lieber anders haben, verschlechtert sich die gesamte Übereinstimmung von Daten und Theorie massiv. Doch genau darin liegt möglicherweise ein Problem, das aber zugleich Plancks größte Entdeckung werden könnte: Neben dem Weltalter liefert das Modell nämlich z.B. auch eine Hubblekonstante von 67,3 ± 1,2km/s/Mpc – und das ist eine signifikant geringere Expansionsgeschwindigkeit des Kosmos, als sie zahlreiche direkte Methoden liefern, die in letzter Zeit durchweg bei 74km/s/Mpc mit Fehlergrenzen um ±2 bis ±3km/s/Mpc gelandet sind. Die Planck-Auswerter sehen diesen Widerspruch durchaus und führen ihn auf vermeintlich übersehene Eichprobleme der Konkurrenten zurück – aber diese weichen nicht zurück, wie der Autor von einem der führenden Teams erfahren konnte. Überdies gibt es Altersbestimmungen des Kosmos über seine ältesten bisher gefundenen Sterne, die mit 15 ± 1 Mrd. Jahren auch in gewissem Konflikt zum Planck-Ergebnis stehen. Wie signifikant diese »Spannungen« zwischen direkten Messungen und Ableitungen aus der Hintergrundstrahlung – die bereits bei WMAP bestanden – tatsächlich sind, wird nun ausdiskutiert. Bleibt ein klarer Widerspruch bestehen, könnte er – im Gegensatz zu der Planck-Analyse selbst, die nichts Ungewöhnliches zutage förderte und von manchem Physiker schon als »langweilig« beklagt wird – zu tatsächlich »neuer Physik« weisen, etwa mit einer zeitlichen Variabilität der Dunklen Energie.

Daniel Fischer

Die Planck-Veröffentlichungen:
www.sciops.esa.int/index.php?project=PLANCK&page=Planck_Published_Papers
Pressemitteilung der ESA:
www.esa.int/ger/For_Media/Press_Releases/Planck_offenbart_uns_ein_fast_perfektes_Universum
Arbeit zu den Widersprüchen:
arxiv.org/abs/1303.5341

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