Als die ESA-Raumsonde Rosetta im Juli 2010 auf dem Weg zu ihrem eigentlichen Kometenziel auch noch den Kleinplaneten (21) Lutetia besuchen konnte, war dessen Natur ein ziemliches Rätsel: Spektren seiner Oberfläche widersprachen sich, und Lutetia ließ sich keiner Kleinplanetenklasse sicher zuordnen. Erst die kombinierte Auswertung von Spektroskopie mit Rosettas OSIRIS-Instrument und Teleskopen auf La Silla (NTT) und Mauna Kea (IRTF) hat jetzt Klarheit geschaffen: Das gesamte kombinierte Spektrum passt – auch quantitativ – zu chondritischen Meteoriten der Enstatit-Klasse. Und die sind etwas Besonderes im Sonnensystem, waren Körper mit dieser speziellen Zusammensetzung doch wesentliche Bausteine der Erde und der anderen terrestrischen Planeten, wie ihre detaillierte Chemie belegt. Damit handelt es sich bei Lutetia offenbar um den seltenen Vertreter eines Planetesimals, das viel näher an der Sonne als die meisten anderen heutigen Kleinplaneten entstand, dann aber nicht in einen der Planeten eingebaut wurde, sondern im Hauptgürtel zwischen Mars und Jupiter landete. Für solch einen Transport – der nicht einmal jedem fünfzigsten Planetesimal aus dieser Zone widerfuhr – könnte Streuung an den wachsenden Planeten aber auch die heute allgemein angenommene Wanderung des Jupiter im jungen Sonnensystem gesorgt haben.
Das Überleben Lutetias war jedenfalls ein Glücksfall, denn so »nah« war man einem direkten Vorgänger der Erde noch nie; selbst eine Sondenmission zur Probenbeschaffung könnte sich lohnen. In den über 4 Milliarden Jahren, seit er dem Einbau in einen terrestrischen Planeten entging, ist dem 121km × 101km × ca. 75km großen Kleinplaneten allerdings noch manches widerfahren. Ein Trümmerhaufen aus kleineren Brocken, die sich nach einer großen Kollisionen nur locker wieder zusammenfügten, wie so mancher andere im Detail untersuchte kleinere Kleinplanet, ist Lutetia allerdings nicht: Mit dem Volumen einer Kugel von 98km Durchmesser und 1,7 Billiarden Tonnen Masse hat sie eine mit 3,4±0,3g/cm3 zu hohe Dichte für solch einen »Schutthaufen«, der große Hohlräume aufweisen müsste. Auf der Oberfläche Lutetias fand Rosetta eine Vielfalt geologischer Formen und vor allem mehrere unterschiedlich alte Gebiete vor, deren Alter sich um mehr als einen Faktor 10 unterscheidet. Aus der Dichte der Verkraterung lässt sich berechnen, dass die ältesten Zonen bis zu 3,6 Milliarden Jahre dem Bombardement im Asteroidengürtel ausgesetzt waren, wären die jüngsten Areale geradezu modern sind: Erdrutsche nach Einschlägen – die Schwerkraft des Körpers reicht aus, um den Boden zu halten – haben hier die Oberfläche erneuert, und erst 50 bis 80 Mio. Jahre lang haben sich dann wieder Krater angesammelt.
Daniel Fischer
www.eso.org/public/germany/news/eso1144 |
arxiv.org/abs/1111.3628 |
www.mpg.de/4617881/Asteroid_Lutetia?filter_order=L |
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