Gaias erste Lieferung: ein Katalog mit 1,1 Milliarden Sternen

Was aussieht wie ein Bild der Milchstraße zeigt in Wirklichkeit die Sterndichte - unabhängig von der Helligkeit - im großen Gaia-Katalog der 1,14 Milliarden Sterne. Sehr auffällig die beiden Magellanschen Wolken, kleine Nachbarn der Milchstraße, unten rechts; kuriose Muster sind Artefakte durch die ungleichmäßige Abtastung des Himmels während der ersten 14 Missions-Monate: Später wird das verschwinden. [ESA/Gaia/DPAC]

Eine der wichtigsten Missionen in der Geschichte der Weltraumastronomie hat eine erste Kostprobe abgeliefert: Der „Data Release 1“ des Gaia-Projekts ist nun öffentlich, mit unter anderem den extrem präzisen Himmelspositionen von 1,1 Milliarden Sternen bis 20. Größe und für zwei Millionen davon zusätzlich auch sehr genauen Parallaxen (und damit Entfernungen) und Eigenbewegungen. Aber schon in etwa 15 Monaten wird es solche dreidimensionalen Daten für die ganze Milliarde Sterne geben.

Kein Wunder also, dass die große Gaia-Forschergemeinde zwar überglücklich ist, dass der hochkomplizierte Satellit nach vielfältigen technischen Problemen seit dem Start 2013 tatsächlich seine extremen Anforderungen erfüllt. Aber immer wieder wird auch betont, dass der DR1 nur ein „Vorgeschmack“ auf den endgültigen Gaia-Katalog ist, der dann tatsächlich das Verständnis der Milchstraße revolutionieren wird. Das Prinzip Gaias ist bestechend simpel: Der 2013 gestartete Satellit rotiert fortwährend und scannt gleichzeitig – und auf denselben Chips – zwei weit voneinander entfernte Himmelsregionen. Das Ergebnis ist eine Unzahl von superpräzisen Winkelabständen zwischen je zwei Punktquellen am Himmel, die meisten davon Sterne der Milchstraße aber auch ein paar Millionen ferne Galaxien und Quasare. Die mathematische Riesenaufgabe war dann, aus all den Differenzwinkeln in einer „globalen Lösung“ die Positionen der Milliarde Sterne zu bestimmen.

Die Milchstraße: 20-mal so dreidimensional

Bereits im DR1 haben diese Sternörter eine mittlere Genauigkeit von 2,4 Millibogensekunden (mas), also den 1,5-millionsten Teil eines Grades, und die Positionen der hellsten Sterne sind sogar auf 1/2 mas genau bekannt. Als viel spannender und „primären“ Gehalt des DR1 betrachtet das Gaia-Projekt aber die Kombination der Positionen der 2 Millionen hellsten Sterne mit entsprechenden Messungen von Gaias Vorgänger Hipparcos, der vor gut 25 Jahren schon einmal den Himmel abtastete. Damals war die Messgenauigkeit viel geringer, aber der lange Zeitabstand macht das wieder wett! Und so liefert der kombinierte Datensatz „TGAS“ die Parallaxen (die scheinbaren Sternellipsenbahnen am Himmel, die die Bahn der Erde um die Sonne erzeugt) der Gaia-Sterne bis zur 12. Größe auf 0,3 mas genau. Und die Eigenbewegungen dieser Sterne relativ zur Sonne sind nun auf 1,3 und für einen Teil sogar 0,07 mas/Jahr genau bekannt. Die Zahl entsprechend gut in drei Dimensionen und in Bewegung erfasster Sterne hat sich mit TGAS schlagartig verzwanzigfacht!

Das Beste kommt erst noch: Ende 2017

Die Präzision der Zahlen muss beeindrucken, wenn man sich erinnert, dass ein gutes Amateurteleskop unter besten Bedingungen eine Auflösung um eine Bogensekunde – also 1000 mas! – schafft, und sich selbst ein großes Teleskop im Weltraum wie Hubble mit etwa 50 mas bescheiden muss. Gaia darf aber nicht mit solch einer Superkamera verwechselt werden: Die Auflösung einzelner Aufnahmen ist gering, schon Doppelsterne von 1/2 bis 1/4 Bogensekunde Abstand können nicht sicher getrennt werden. Die enorme Positionsgenauigkeit für einzelne Sterne ergibt sich erst aus der gemeinsamen Analyse zahlreicher Beobachtungen über viele Monate hinweg. Und die gehen immer weiter: Der DR1 basierte auf effektiv 11 Monaten Gaia-Messungen, der Data Release 2 – der im vierten Quartal 2017 erwartet wird – verspricht mit 22 Monaten Messungen die vollständige Lokalisierung von mehr als einer Milliarde Sternen, also Positionen, Entfernungen und Eigenbewegungen am Himmel, dazu auch noch erste Informationen zu Farben und Bewegungen entlang der Sichtlinie. Ein weiterer Sprung der Zahl so gut erfasster Sterne um einen Faktor 500 also: Schon der DR1 hilft einzelnen Bereichen der Astronomie viel, der DR2 wird als erste 3D-Karte der Milchstraße Geschichte machen und weite Bereiche der Astronomie befruchten.

Daniel Fischer

LINKS:
Details zum DR1: http://www.cosmos.esa.int/web/gaia/dr1
ESA Press Release: http://sci.esa.int/gaia/58272-gaia-s-billion-star-map-hints-at-treasures-to-come
Didaktisches Video: https://www.youtube.com/watch?v=2Z_O66Z4l6Y
Wissenschaftliche Arbeiten: http://www.aanda.org/component/toc/?task=topic&id=641
Interaktive Visualisierung: https://zah.uni-heidelberg.de/gaia/outreach/gaiasky

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