ʻOumuamua: Erster interstellarer Besucher wohl doch ein – gut getarnter – Kometenkern

Die Bahn von 1I/ʻOumuamua durch das innere Sonnensystem und rechts ihre Abweichung von einer rein Kepler'schen: Eigentlich müsste der interstellare Gast dieses Frühjahr noch 100000 km näher bei der Sonne sein, doch etwas - wahrscheinlich subtile Ausgasung wie in der künstlerischen Darstellung links - hat zusätzlich geschoben. [ESA]

Der erste eindeutige Besucher aus einem anderen Sonnensystem, der vergangenes Jahr bei einem Besuch in unserem entdeckt wurde, zeigte auch in Sonnennähe keinerlei Kometen-Aktivität, weshalb das 1I/ʻOumuamua getaufte Objekt als interstellarer Asteroid galt. Wohl zu Unrecht: Eine detaillierte Analyse seines Bahnbogens zeigt deutliche Abweichungen, die am besten durch anhaltendes Ausgasen zu erklären sind – womit es sich doch um einen Kometen handeln dürfte.

Noch bis zum 2. Januar 2018 konnten Astronomen den da schon auf 27. Größe im Visuellen gefallenen ʻOumuamua auf seinem Weg wieder aus dem Sonnensystem hinaus verfolgen, mit großen Teleskopen auf der Erde und zuletzt noch dem Hubble Space Telescope. Wie ein Komet ausgesehen hat er dabei nie: Er blieb immer ein Lichtpunkt ohne nachweisbare Gas- und Staubhülle (Koma) oder Schweifstummel, und auch Spektren zeigten keinerlei Gas-Emission. Aber die generelle Farbe passte schon zu einem Kometenkern – und diverse Simulationsrechnungen hatten schnell überdeutlich gemacht, dass dynamische Prozesse in jungen Planetensystemen um Größenordnungen mehr Kometenkerne aus dem äußeren denn Asteroiden aus dem inneren Bereich in den interstellaren Raum schleudern sollten. War es da nicht extrem unwahrscheinlich, dass ausgerechnet der erste interstellare ‚Fang‘ zu der ganz seltenen letzteren Kategorie gehören sollte? Einige Theoretiker dachten sich exotische Effekte aus, um doch eine Menge Asteroiden aus Planetensystemen zu schleudern, andere tippten stattdessen auf eine getarnte Kometennatur von ʻOumuamua, der seine gefrorenen Gase durch eine unterwegs erworbene Kruste vor starkem Ausgasen in Sonnennähe schützte. Und genau so scheint es gewesen zu sein.

Die Analyse gut 200 präzisen Positionsmessungen von ʻOumuamua zeigt nämlich systematische Abweichungen von einer rein „Kepler’schen“ Bahn, die allein von der Schwerkraft der Sonne, der acht Planeten und diverser anderer Körper bestimmt wird: Etwas scheint ʻOumuamua permanent von der Sonne fort gedrückt zu haben (Grafik). Der beobachtbare Bahnbogen ist zu kurz, um die Gesetzmäßigkeit dieser Extrakraft exakt abzuleiten, aber sie war keinesfalls konstant sondern folgte einer invers quadratischen bis linearen Abhängigkeit vom Sonnenabstand: Ersteres wäre genau, was man von einem schwach aktiven Kometen erwarten würde. Die Abwesenheit einer sichtbaren Koma wäre damit verträglich, vor allem unter der Annahme ungewöhnlich großer und damit schwer nachweisbarer Staubteilchen. ʻOumuamua müßte überdies gegenüber typischen Kometen des Sonnensystems um einen Faktor von mehr als 15 im Zyan-Radikal abgereichert sein, damit die Aktivität auch allen Spektrographen entgehen konnte. Ein chemisch und staubphysikalisch etwas exotischer aber ansonsten normaler Komet: Leider konnte ʻOumuamua bei seinem rasanten Kurzbesuch nicht ausreichend gut untersucht werden, um dieses Szenario zu beweisen, doch permanenter leichter Schub durch Ausgasen passt weit besser zu den Bahndaten als alle denkbaren Alternativen. Da werden werden sicher noch mehr interstellare Besucher kommen – und schon wird der Ruf laut, eine Raumsonde auf Abruf für den nächsten Fall bereit zu halten.

LINKS:

ESO Release mit Originalarbeit: https://www.eso.org/public/news/eso1820
IfA Release: http://www.ifa.hawaii.edu/info/press-releases/Oumuamua-06-2018
NASA Release: https://www.nasa.gov/press-release/our-solar-system-s-first-known-interstellar-object-gets-unexpected-speed-boost

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