Wenn der Mond als Sichel am irdischen Himmel steht, scheint für seine Nachtseite die Erde um so heller: Dieser „Erdschein“ auf dem dunklen Teil der Mondscheibe kann einige Tage lang so auffällig sein, dass es dafür poetische Ausdrücke gibt (‚der alte Mond in den Armen des neuen‘) und sich Astronomen seit Jahrhunderten mit dem Phänomen beschäftigen. Erst ging es nur um das grundlegende Verständnis des Phänomens, das wohl als erstem Leonardo da Vinci vor ziemlich genau 500 Jahren gelang aber noch lange kontrovers blieb, doch in jüngerer Zeit wird der Erdschein des Mondes auch als praktisches Werkzeug benutzt: Seine Helligkeit hängt direkt von der Gesamthelligkeit des gerade sonnenbeschienenen Teils der Erdkugel ab. Und das Rückstrahlvermögen – die Albedo – der Erde im sichtbaren Licht ist eine wesentliche Größe für die Klimaforschung: sowohl für die Strahlungsbilanz der Erde insgesamt wie auch im Detail (Wolken, Schneeflächen etc.) für Faktoren, die dem Treibhauseffekt entgegen wirken oder ihn verstärken könnnen. Jeweils ein paar Tage im Monat steht der Mond so, dass durch Vergleich der Helligkeiten von „dunklem“ und hellem Teil der Mondscheibe und mathematische Modellierung der Beleuchtungsgeometrie die aktuelle Albedo von jeweils rund 40% des Globus abgeleitet werden kann.
Die Gesamthelligkeit der Erde wird seit dem Jahr 2000 mit den CERES-Instrumenten auf mehreren NASA-Satelliten überwacht, die aber über die Jahre subtil driften könnten, und noch bis ins 20. Jahrhundert gehen Messreihen des Erdscheins zurück. Besonders systematisch wird er am Big Bear Solar Observatory in Kalifornien und neuerdings auch mit indentischen Teleskopen auf Teneriffa bestimmt. Jetzt sind 16 Jahre kalifornische Daten präsentiert worden (Grafik): Im Gegensatz zu früheren Analysen ist kein durchgehender Trend zu erkennen, wohl aber gibt es signifikante Schwankungen auf verschiedenen Zeitskalen um den Mittelwert der Albedo, der rund 30% beträgt. Und das Beste: Die Big-Bear-Kurve ist – im Gegensatz zu früheren Auswertungen – jetzt in nahezu perfektem Einklang mit den CERES-Messungen. Das Ausmaß der Schwankungen sehen beide völlig verschiedenen Messmethoden gleich und auch den deutlichen Einbruch der Erdalbedo um 2008, ihr Maximum 2010 und die hohen Werte in den letzten paar Jahren. Welche Veränderungen der Bewölkung der Erde, des Schneefalls oder anderer Faktoren die Schwankungen im Einzelnen verursachen, bleibt noch zu klären, und Messungen von mehr geographischen Längen aus – am besten mit einem weltumspannenden Netzwerk aus ca. 8 robotischen Teleskopen – wären wünschenswert. Oder auch ein kleiner Spezialsatellit im Orbit, der permanent den Mond fotografiert.
Daniel Fischer
LINKS:
Originalarbeit: http://arxiv.org/abs/1604.05880.
Press Release des IAC: http://www.iac.es/divulgacion.php?op1=16&id=1057&lang=en
Homepage des Projekts: http://www.bbso.njit.edu/Research/EarthShine
Kommentar hinterlassen