Die Mondpole sind »feuchter als manche irdische Wüste«

Zwanzig Sekunden nach dem Impakt der Centaur-Stufe sichtete eine Kamera auf der begleitenden LCROSS-Sonde die Ejektawolke über dem dunklen Boden des Polkraters Cabeus, mit einem Durchmesser von 10km bis 12km — und mehrere Spektrometer hatten sie genau im Blick. Aus starker Absorption und Emission wird nun auf die Anwesenheit erstaunlicher Wassermengen geschlossen. [NASA]
Zwanzig Sekunden nach dem Impakt der Centaur-Stufe sichtete eine Kamera auf der begleitenden LCROSS-Sonde die Ejektawolke über dem dunklen Boden des Polkraters Cabeus, mit einem Durchmesser von 10km bis 12km — und mehrere Spektrometer hatten sie genau im Blick. Aus starker Absorption und Emission wird nun auf die Anwesenheit erstaunlicher Wassermengen geschlossen. [NASA]
Genau fünf Wochen nach dem gewagten Experiment war das Ergebnis da: Beim gezielten Einschlag einer großen Raketenstufe in einen ewig finsteren Krater nahe dem Südpol des Mondes sind erhebliche Mengen Wassereis freigeschlagen worden, das im Kraterboden zumindest in Form von konzentrierten Körnchen vorliegen muss. Eine gut 50 Jahre alte Hypothese ist damit nach vielen umstrittenen Messungen der Vergangenheit »mit einem Schlag« bestätigt worden: Die Polkrater wirken als perfekte Kältefallen, wo sich flüchtige Substanzen niederschlagen und lange Zeit — vielleicht Jahrmilliarden — gespeichert werden. Und dazu gehört nicht nur das nun sicher nachgewiesene Wasser, das die Freunde einer Rückkehr zum Mond in helle Aufregung versetzt hat: In der der 10km bis 12km ausgedehnten Wolke, die die LCROSS-Centaur bei ihrem Impakt produziert hatte (hier eine neu verarbeitete Aufnahme), sahen zwei Spektrometer auf der dicht hinterher fliegenden instrumentengespickten Sonde noch jede Menge mehr unerwartete Chemie. Um was es sich genau handelt, will man erst verraten, wenn man sich so sicher ist wie bereits jetzt mit dem Wasser: Mindestens 100kg davon — oder »12 Eimer voll«, wie die NASA vorrechnet — waren in den Ejekta enthalten, die die Spektrometer perfekt im Blick hatten. Ein Instrument beobachtete im nahen Infraroten und sah markante Absorptionsmarken, während das andere im ultravioletten Spektralbereich Emission des Hydroxylradikals (OH) registrierte, die schlagartig einsetzte und dann wieder zurückging: Ganz offensichtlich ein Abbauprodukt von Wasserdampf, der plötzlich der harten Sonnenstrahlung ausgesetzt war. Das klare OH-Signal war es dann auch, das die LCROSS-Forscher endgültig von ihrer wässrigen Entdeckung überzeugt hatte.

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Das infrarote Spektrum zeigt aber noch jede Menge weitere Absorption durch andere chemische Verbindungen: Die LCROSS-Auswerter haben es bereits geschafft, auch die zusätzlichen Ergebnisse nachzuvollziehen, verraten aber noch nicht konkret, mit welchem Gemisch sie das geschafft haben. Es dürften aber eine Reihe kohlenstoffreiche Verbindungen dabei sein, eine »primitive« Chemie, nicht unähnlich derjenigen, die man in ursprünglichen Asteroiden oder gar Kometen findet. Auch ein Instrument auf dem Mondorbiter LRO, das kurz nach dem Impakt Reste der Ejektawolke aufspüren konnte, hat offensichtlich erstaunliche Mengen Quecksilber vorgefunden: Die Chemie des eisigen Mondbodens in den stets schattigen Kratern — die mit teilweise nur 35 Kelvin zu den kältesten Orten des ganzen Sonnensystems gehören — erweist sich als viel komplexer als erwartet. Die ganze Geschichte des Sonnensystems mag hier konserviert sein, aber noch wissen wir nicht, wie typisch das bemerkenswerte Ergebnis an dieser einen Stelle eines Kraters ist. Auch die Herkunft des Wassers ist keineswegs klar: Die Spekulationen reichen von Wasserdampf nach Kometentreffern über Eintrag aus dem Sonnenwind bis zu gigantischen Molekülwolken, durch die das Sonnensystem früher zog. Die 100kg in der Ejektawolke sind nur eine Untergrenze der Wassermenge, aber schon diese Zahl lässt sich nicht allein durch adsorbierte Moleküle erklären: Da muss richtiges Eis im Boden des Kraters Cabeus gewesen sein, nicht unbedingt ein gefrorener See sondern eher Eiskörnchen, in den Boden gemischt.

Entdeckungen von Wasser irgendwo im Sonnensystem oder jenseits davon gehören längst zum Alltag der Astronomie, aber dass nun auch unser scheinbar so knochentrockener nächster Nachbar damit ausgestattet ist, lässt schon aufhorchen: Zumindest der Boden des LCROSS-Kraters Cabeus ist im Schnitt feuchter als die trockensten Wüsten der Erde, die Atacama in Chile zum Beispiel! Wieviel Wasser es auf dem Mond insgesamt gibt, lässt sich freilich nur schwer hochrechnen, und es ist auch keineswegs klar, dass die konzentrierten Eisvorkommen in den Polkratern überhaupt mit den nur moleküldicken Wasserschichten auf dem restlichen Mondboden in Zusammenhang stehen, deren Entdeckung im September für Aufsehen gesorgt hatte. Gleichwohl begannen sofort emsige Diskussionen über eine Nutzbarkeit des Mondeises für bemannte Operationen, und angesichts der anstehenden Entscheidung der Obama-Administration über die künftigen Ziele der bemannten US-Raumfahrt sieht sich die eigentlich abgeschlagene Mondfraktion plötzlich im Aufwind. Zunächst einmal geht aber die Auswertung der umfangreichen Daten vom LCROSS-Experiment weiter: Der Impakt war für Beobachtungen von der Sonde aus optimiert, während die Beobachter auf der Erde wegen des hohen Kraterrandes deutlich schlechtere Karten hatten als es anderswo der Fall gewesen wäre. Aber auch so gibt es faszinierende Daten über Gas, das hoch über den Mond aufstieg, vielleicht sogar ein bisschen Staub. Die Auswertung ist allerdings sehr mühsam, und vor nächstem Frühjahr sollte man mit keinen klaren Antworten rechnen. Dass LCROSS — letztlich nur eine preiswerte Zugabe zur LRO-Mission — aber ein großer Erfolg der Planetenforschung geworden ist, daran besteht nun kein Zweifel mehr.

Daniel Fischer

Bilder zur Entdeckung: www.nasa.gov/mission_pages/LCROSS/main/prelim_water_results.html

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