COROT: erster orbitaler Exoplanetenjäger bei der Arbeit

Seit dem 3. Februar läuft die Arbeit: Ohne nennenswerte Probleme hat der vor zwei Monaten – am 27.12.2006 – gestartete kleine französische Astronomiesatellit CoRoT (»Convection, Rotation & Transits«) seine Tests in seinem 900-km-Orbit um die Erde hinter sich gebracht und eine präzise Ausrichtung auf das Sternbild Einhorn eingenommen. Bis zum 2. April wird nun wieder und wieder mit seinem 27-cm-Teleskop und einer CCD-Kamera dasselbe1,3° x 2,6° große; Sternfeld aufgenommen: Gesucht wird nach charakteristischen und wiederkehrenden minimalen Einbrüchen der Helligkeiten irgendwelcher Sterne, die auf vor ihren Scheibchen vorüberziehende Planeten hinweisen könnten. Und zwar den masseärmsten, die je direkt beobachtet wurden, bis zu 2 Erdmassen hinab (bislang sind immerhin 11 »Exo-Neptune« bekannt). Zugleich werden von ausgewählten Sternen in einem benachbarten Feld präzise Lichtkurven aufgenommen, die Rückschlüsse auf Schwingungen des Sternkörpers und damit sein Innenleben zulassen (Asteroseismologie).

Letzteres war 1993 die ursprüngliche Zielsetzung des französischen Projekts gewesen, das durch den klaren Nachweis der ersten Exoplaneten ab 1995 eine neue zusätzliche Richtung und grössere Dringlichkeit bekam und überhaupt erst so – und mit viel ausländischer Hilfe – realisiert werden konnte. Sowohl die ESA wie auch einzelne europäische Länder, darunter Deutschland mit 5 Mio. Euro, trugen zum Schluss etwa die Hälfte der Gesamtkosten und steuerten u.a. wesentliche Bauteile bei. Zum Beispiel den ausgeklügelten Blendenmechanismus (baffle), der dafür sorgt, dass so wenig Streulicht wie möglich auf die vier 2048×2048-Pixel-CCDs in der Brennebene fällt. Die CCDs sind im Quadrat angeordnet, und je zwei dienen der Asteroseismologie und zwei der Suche nach Planetentransits, so dass pro Aufgabe 1,3×2,6° große; Felder am Himmel mit 2,3 Bogensekunden pro Pixel zur Verfügung stehen. Die beiden Chips für die Asteroseismologie liegen dabei etwas ausserhalb der Brennebene, um bewusst unscharfe Bilder zu erzielen. Bis zu 5 Sterne mit V-Magnituden zwischen 5,7m und 9,5m werden pro Chip überwacht, wobei ihre Lichtkurven mit in der Regel 32 Sekunden Sampling zur Erde geschickt werden. Die CCDs für die Planetensuche werden ebenfalls alle 32 Sekunden ausgelesen: Bis zu 6000 Sterne pro Chip mit V-Helligkeiten von 11,5m bis 16m werden dabei überwacht, und noch Schwankungen um 1/100 Prozent sollten zu messen sein.

Weil der Datenstrom zur Erde sehr begrenzt ist, werden allerdings von den meisten Sternen 512-Sekunden-Integrationen berechnet. Im Strahlengang der Planeten-CCDs sitzt überdies ein Objektivprisma mit geringer Dispersion, das das Bild jedes Sterns zu einem kurzen Spektrum auseinanderzieht: Für Sterne heller als 15m lassen sich so Lichtkurven in drei Farben gewinnen. Am ganzen Himmel kann CoRoT überhaupt nur in zwei je 10° großen Zonen arbeiten, die auch »CoRoT-Augen« genannt werden: die Kreuzungen von Ekliptik und Milchstraßenebene, eine in Richtung des Galaktischen Zentrums, die andere Richtung Antizentrum gelegen. Der Grund für die Einschränkungen ist die Minimierung des Streulichts von der Sonne bei gleichzeitiger Maximierung der Zahl der Sterne im Bildfeld: Jedes der Augen kann jeweils bis zu 6 Monate am Stück angepeilt werden. Wegen des Starttermins, der aus technischen Gründen (Misstrauen gegen die spezielle Variante der verwendeten Soyuz-Rakete musste erst ausgeräumt werden) oft verschoben wurde, dauert die erste Ausrichtung zum Galaktischen Antizentrum nur ein paar Wochen, dann beginnt im Frühjahr 2007 das reguläre Muster: 5 Monate auf immer dasselbe Feld (»long run«), gefolgt von 21 Tagen auf ein benachbartes (»short run«), dann 180°-Schwenk zur anderen CoRoT-Auge. Mindestens fünfmal soll dieser Zyklus während der Lebensdauer des Satelliten wiederholt werden.

Die Mission danach: Kepler
Jetzt hat Europa tatsächlich die Nase vorn: Erst Ende 2008 dürfte der NASA-Satellit Kepler starten, der ein ähnliches Ziel wie CoRoT verfolgt. Mindestens vier Jahre lang wird er auf einer heliozentrischen Bahn fernab der Erde mit einem 95-cm-Spiegel dasselbe Riesenfeld mit 130 000 Sternen anstarren, um so noch subtilere Transits nachweisen zu können und auch Planeten mit längeren Umlaufszeiten. Die ersten echten Zwillinge der Erde sollten damit in Keplers Reichweite sein: Hochrechnungen sagen 50 Erden mit einem Jahr Umlaufszeit voraus, dazu mehrere hundert immer noch erdähnliche Planeten der CoRoT-Klasse.

Die Asteroseismologie war entscheidend für die Auswahl der Gesichtsfelder: So dicht sind Sterne von 9,5m oder heller auch in der Milchstraßenebene nicht gesät. Die jeweils passenden benachbarten Suchfelder für das Planetenprogramm wurden dann anhand von Kriterien wie wenig Extinktion oder höherem Anteil vielversprechender Sterne (d.h. keine Zwerge oder Sterne frühen Typs) ausgewählt. Bei den short runs geht es überhaupt nur um Asteroseismologie: Am Ende der Mission soll das Hertzsprung-Russell-Diagramm möglichst gut abgedeckt sein. Überdies gibt es noch ein »zusätzliches Programm«, bei dem Exoplanetensuche im Seismologie-Feld und umgekehrt und noch ganz andere Analysen der von CoRoT generierten Lichtkurven (z.B. zur Suche nach Indikatoren für Sternrotation, -aktivität, -flares etc.) ermöglicht werden. Dabei können interessierte Parteien aus den an CoRoT beteiligten Ländern (sowie aus allen ESA-Staaten) auf die ohnehin anfallenden Lichtkurven zurückgreifen – oder für besonders interessante Fragen auch hin und wieder spezielle short runs beantragen.

Von besonderem Interesse vor dem Start war natürlich: Wie groß wird die Ausbeute an Exoplaneten sein? Viele Suchprogramme vom Erdboden aus haben schon Erfolge eingefahren, aber die Bedingungen im Orbit sind so anders, dass man lieber eine umfassende Simulation (»blind tests«) durchgeführt hat: Ein »Spielmeister« erzeugte künstliche Lichtkurven von einer Art, wie sie CoRoT liefern soll, und fügte hier und da einen Planetentransit ein. Parallel durchforsteten dann mehrere Arbeitsgruppen die »Daten«: Nicht eine Fehldetektion eines Transits wurde von mehr als einer Gruppe gemeldet, der parallele Ansatz bewährt sich. Um allerdings abzuschätzen, wieviele Planeten welchen Typs CoRoT in der Realität finden sollte, muss das bisherige Wissen über deren Populationen berücksichtigt werden. Wie häufig Riesenplaneten sind, weiss man heute ganz gut, aber für die »Supererden« mit bis zu 2 Erdmassen hinab, die CoRoT erstmals finden soll, fehlt weitgehend das Wissen: Man hat einfach angenommen, dass sie 5-mal häufiger sind. Insgesamt 65 Riesenplaneten und grob 20 »Erden« (je nach Annahmen: 5 bis 50) sind demnach bei den 120 000 während der Gesamtmission überwachten Sternen zu erwarten, wegen der Suchstrategie mit maximal 50 Erdtagen Umlaufszeit. Bei sonnenähnlichen Sternen wären solche Planeten in einer Merkur-ähnlichen Situation und zu heiss für flüssiges Wasser, nur bei Zwergsternen kreisten sie in der habitablen Zone. Was CoRoT findet, sind freilich erst einmal keine Planeten, sondern Kandidaten, die in einem ziemlich aufwändigen Beobachtungsprogramm am Boden verifiziert werden müssen.

Mit einem Teleskop der 1-m-Klasse – eingeplant sind u.a. ein 80-cm-Spiegel der ESA auf Teneriffa und das Euler-Teleskop auf La Silla – werden gefundene Transits mit höherer Winkelauflösung erneut beobachtet, als sie CoRoTs kleines Teleskop schafft: In dichten Sternfeldern dürfte so überhaupt erst klar werden, welchen Stern es getroffen hat. Sodann sind Messungen der Radialgeschwindigkeit angesagt, die der Bedecker seinem Stern aufzwingt: Erst diese Auslenkungen entlang der Sichtlinie verraten seine Masse und Planetennatur! Das VLT und weitere Teleskope in Chile, Frankreich und Deutschland (jawohl: das Tautenburger 2-m-Universalteleskop!) kommen hier je nach Helligkeit des Sterns zum Einsatz: Praktischerweise hat die Qualität der Radialgeschwindkeitsmessung an diesen Sternwarten genau die Qualität erreicht, die zur Bestätigung der CoRoT-Planeten nötig ist. Und wenn sich ein Fall als echt herausgestellt hat, werden vom betroffenen Stern noch hochauflösende Spektren mit Großteleskopen gewonnen, um seine physikalischen Parameter besser einzugrenzen, während im Orbit Hubble und Spitzer bereit gemacht werden, um mehr über die Planeten zu erfahren. Diesen Sommer sollten bereits der erste Jupiter-artige Planet gefunden sein. Und nach dem ersten long run und Nachbeobachtungen, so versprechen die CoRoT-Forscher, wird der erste erdähnliche Planet im Frühjahr 2008 dingfest gemacht sein.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*