„Auge des Horus“: eine ungewöhnliche Gravitationslinse

Das "Eye of Horus" in künstlicher Einfärbung, um die Bilder zweier verschieden weit entfernter Galaxien besser trennen zu können: Eines erscheint als bläulicher Ring mit Knoten, das andere v.a. rechts als rötlicher Bogen näher an der linsenden Galaxie. [NAOJ]

Viele Gravitationslinsen sind in den letzten Jahrzehnten entdeckt worden, bei denen zwei Galaxien von der Erde aus gesehen praktisch in einer Linie stehen und die Schwerkraft der vorderen das Bild der hinteren markant verzerrt. Jetzt ist der erste Fall entdeckt worden, wo eine Galaxie gleich zwei verschieden weit entfernte dahinter abbildet und die Entfernungen aller drei Beteiligten bekannt sind.

Das erste linsenden System mit zwei gleichzeitig abgebildeten Hintergrundgalaxien ist HSC J142449-005322 zwar nicht, bei der Handvoll anderen Funden sind aber die Rotverschiebungen und damit Entfernungen der involvierten Galaxien nicht alle bekannt. Der Gravitationslinseneffekt von Galaxien ist nicht nur ein Kuriosum, das die abgebildeten Objekte in Bögen, Ringe und noch komplexere Formen verzerrt: Aus diesen Bildern lässt sich die Massenverteilung der linsenden Galaxie erschließen, vor allem wenn die Geometrie der Linse – also die Entfernungen von Hinter- und Vordergrundgalaxie – bekannt ist. Gravitationslinsen bieten dann ein ziemlich direktes Fenster in die Welt der Dunklen Materie, die sich sonst nur dynamisch bemerkbar macht. Und der seltene Fall von zwei unterschiedlich weit entfernten Galaxien hinter der linsenden erlaubt besonders umfassende Rückschlüsse auf die räumliche Verteilung der Masse des Vordergrundobjekts, das im neuen Fall mit rund 700 Milliarden Sonnenmassen eine besonders schwere Galaxie ist, vermutlich das Zentralobjekt eines Galaxienhaufens.

Wie man das "Eye of Horus" liest: gelb in der Mitte die linsende Galaxie L mit einer Rotverschiebung z=0,8, umgeben von Bildern der näheren Galaxie S1 (z=1,3; grün) und der ferneren S2 (z=2,0; weiß), die jeweils sowohl ausgedehnt wie kompakt sein können. [Tanaka et al.]
Wie man das „Eye of Horus“ liest: gelb in der Mitte die linsende Galaxie L mit einer Rotverschiebung z=0,8, umgeben von Bildern der näheren Galaxie S1 (z=1,3; grün) und der ferneren S2 (z=2,0; weiß), die jeweils sowohl ausgedehnt wie kompakt sein können. [Tanaka et al.]
HSC J142449-00532 ist ein Zufallsfund der Hyper Suprime-Cam Subaru Strategic Survey, dem mit 300 Nächten und 1400 Quadratgrad größten Beobachtungsprogramm mit dem japanischen 8,2-Meter-Teleskop Subaru auf Hawaiis Mauna Kea, das erst zu einem Drittel abgeschlossen ist. Vergangenes Jahr war Studenten bei Durchschauen der Bilderflut die ungewöhnliche Struktur aufgefallen, die sie „Eye of Horus“ tauften, wegen einer gewissen Ähnlichkeit mit dem ägyptischen Symbol Udjat: Eine Galaxie wird von Bögen, Ringen und Knoten umgeben (Bilder). Die Rotverschiebungen aller Komponenten maß dann das 6,5-Meter-Teleskop Magellan I Baade in Chile: Das Licht von der Vordergrundgalaxie ist 6,9 Mrd. und das der Hintergrundgalaxien 8,9 bzw. 10,4 Mrd. Jahre unterwegs gewesen. Die nähere der beiden, S1, wird als rötlicher Lichtbogen und ‚Gegenbild‘ H dicht neben der linsenden Galaxie abgebildet, die fernere S2 – eigentlich ein enges Galaxienpaar – als bläulicher Ring und diverse Knoten A bis G. Die wichtigsten Eigenschaften des Systems konnten bereits – sogar unabhängig auf zwei Wegen – mathematisch modelliert werden, alles aber nicht: Die linsende Galaxie hat wohl eine komplexere Struktur als aus den Subaru-Bildern allein ersichtlich ist. Schärfere Bilder dieses reizvollen Systems sind also nötig, um alle Details zu erklären und es auch wirklich ausnutzen zu können. Und die gesamte HSC-Durchmusterung sollte etwa 10 solche Doppelsysteme am Himmel finden.

LINKS:
Originalarbeit: http://arxiv.org/abs/1606.09363
Subaru Press Release: http://subarutelescope.org/Pressrelease/2016/07/25
HSC Subaru Strategic Survey: http://hsc.mtk.nao.ac.jp/ssp

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