Zwerggalaxien: Sternenmacher und Gezeitenmüll

Zahlreiche ferne Zwerggalaxien sind – neben größeren Galaxien – auf einer Hubble-Aufnahme im schon in vielen Wellenlängen untersuchten Himmelfeld Great Observatories Origins Deep Survey (GOODS) auszumachen: Ihr erstaunlicher Beitrag zur Sternproduktion des gesamten Kosmos ist erst jetzt klar geworden. [NASA, ESA, the GOODS Team und M. Giavalisco (STScI/University of Massachusetts)]

Mit höchstens einigen Milliarden Sternen und geringer Größe und Leuchtkraft scheinen die Zwerggalaxien gegenüber den prächtigen »ausgewachsenen« Sternsystemen keine besondere Rolle im Universum zu spielen. Doch dieser Eindruck trügt: Eine systematische Durchmusterung von fernen Galaxien mit starken Emissionslinien (im Rotverschiebungsbereich 0,3 bis 2,3, als die meisten Sterne entstanden) hat jetzt eine erstaunliche Rolle gerade von Zwerggalaxien bei der Sternentstehung insgesamt etabliert. Über 1000 solcher Galaxien wurden mit dem spaltlosen Spektrographen der Kamera WFC3 des Hubble Space Telescope unter die Lupe genommen und ihre Sternbildungsrate anhand der Stärke der Hα-Linie ermittelt: Bei einer Untergruppe sind beide so gewaltig, dass diese – im Kontinuumslicht unauffälligen – Galaxien weit über dem generellen Trend (weniger Masse = weniger Sternbildung) liegen. Sie sind so fleißig, dass sich ihre gesamte Sternenmasse binnen nur rund 100 Mio. Jahren glatt verdoppelt, während dies normalerweise Jahrmilliarden dauert. Zur gesamten Sternbildung im Kosmos haben diese vermeintlichen Galaxienzwerge grob ein Drittel beigetragen!

Zwerggalaxien treten aber auch ganz anders auf: Manche sind so unauffällig, dass sie selbst in relativer Nähe lange übersehen werden. Solch ein Fall ist eine Gezeiten-Zwerggalaxie (tidal dwarf galaxy, TDG), die in der Messier-66-Gruppe im Löwen, dem Leo-Triplett, gefunden wurde: im Gezeitenschweif der Galaxie NGC 3628, den wohl vor einer knappen Jahrmilliarde Messier 66 aus ihr herausgerissen hat. Eine Verdickung am Ende dieses langen Schweifs aus neutralem Wasserstoff hat sich erst jetzt – vor allem durch Radiospektroskopie mit dem Very Large Array – als eine eigenständig rotierende Mini-Galaxie entpuppt, mit etwa 300 Mio. Sonnenmassen. Dabei ist diese Galaxie rund 450000Lj von NGC 3628 entfernt, während praktisch alle anderen bekannten TDGs höchstens 70000Lj weit von der Galaxie entfernt sind, aus der ihr Material stammt: ein Rekord. Ansonsten ähneln die Eigenschaften der Leo-TDG aber anderen Vertretern dieser Klasse, insbesondere was die Armut an Dunkler Materie betrifft. Als einer der nächstgelegenen Fälle bietet sie sich nun besonders für weitere Detailuntersuchungen an.

Daniel Fischer

Originalarbeit zu den Starbursts:
arxiv.org/abs/1406.4132
ESA-Veröffentlichung:
sci.esa.int/hubble/54184-small-but-significant-heic1412
Der neue Gezeiten-Zwerg:
arxiv.org/abs/1404.1744

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