Wie sich alte Kugelsternhaufen (manchmal) erneuern

Der Kugelsternhaufen Terzan 5 im Sternbild Schütze [ESA / Hubble and NASA]

Kugelsternhaufen gehören wohl zu den optisch bemerkenswertesten Objekten des Universums. Lange galt die Meinung, dass ihre Sternpopulationen in etwa dasselbe Alter aufweisen müssen, da sich die Sternentstehung in den Haufen zur selben Zeit zugetragen haben sollte. Grundsätzlich ist das auch eine zutreffende Annahme. Und dennoch: Heute weiß man, dass einige Kugelsternhaufen so etwas wie ein Mehrgenerationenhaus der kosmischen Objekte darstellen, denn es finden sich mitunter mehrere Sterngenerationen in ihnen. Die Haufen müssen also über genügend Baumaterial verfügen, um die Sternproduktion aufrecht zu erhalten. Und das stellt einziemliches Problem dar.

Zwei Überlegungen wetteifern in dieser Frage miteinander. Die konventionelle Sichtweise geht davon aus, dass die Kugelsternhaufen in einem gewissen Rahmen ein eigenes Recycling-Programm anwenden, indem die sterbenden Mitglieder des Haufens den umgebenen Raum in ihrem meist über Millionen Jahre andauernden Todeskampf mit ausgeworfenem Gas und Staub anreichern, was dann die Grundlage der neuen Sterngeneration bildet. Allerdings existieren innerhalb der Cluster nicht nur friedliche Zeitgenossen vom Schlage unserer Sonne, sondern auch ausgesprochene Rabauken. Diese massereichen Sterne vergehen wesentlich schneller in Supernovae und sorgen durch ihre gewaltigen Explosionen dafür, dass potentiell noch innerhalb des Clusters vorhandenes Baumaterial aus dem Haufen hinausgefegt wird. Ein nicht sonderlich durchdachtes Verhalten, denn die Produktion neuer Sterne kommt letztlich aus diesem Grunde zum Erliegen, was die Kugelsternhaufen in ihrer Majorität aus Mitgliedern gleichen (hohen) Alters bestehen lässt. Und ohne Erneuerung, respektive Verjüngung, ist auch in kosmischen Skalen ein Ende absehbar.

Eine ergänzende Einschätzung liefert nun die Hypothese, dass die Bestandteile, d.h. die Baumaterialien junger Sterngenerationen aus Gebieten außerhalb der Kugelsternhaufen stammen. Ganz neu ist diese Hypothese nicht, tatsächlich stammen ihre Grundzüge schon aus dem Jahre 1952, allerdings konnte dieser Denkansatz zur damaligen Zeit aufgrund der fehlenden technischen Mittel, nicht durch Beobachtungen untermauert werden.

Kugelhaufen weisen dichte, kugelförmige Ansammlungen von typischerweise einigen 100000 Sternen auf, die untereinander gravitativ gebunden sind. Ihrerseits sind die Haufen gravitativ an Galaxien wie die Milchstraße gebunden, in deren Halo sie weiträumige Bahnen beschreiben. Allein in  unserer heimischen Galaxis ist die Existenz mehrerer Hundert solcher Haufen gesichert. Der weitaus größte Teil der lokalen Kugelhaufen weißt tatsächlich ausgesprochen weit entwickelte Sternpopulationen zwischen 10 und 13 Milliarden Jahren aus. Allerdings bilden sich vereinzelt noch immer Kugelsternhaufen. So sind auch einige signifikant jüngere Vertreter dieser alt eingesessenen Erscheinungsform bekannt. Ein Beispiel befindet sich in einer 170000 Lichtjahre entfernten Begleitgalaxie mit dem Namen Große Magellansche Wolke (LMC). Es handelt sich bei ihr um eine irreguläre Zwerggalaxie, die aus etwa 15 Milliarden Sternen besteht. In ihr befindet sich ein – wie spektroskopisch Untersuchungen zeigen – rund 1,4 Milliarden Jahre junger Haufen.

Der Kugelsternhaufen Terzan 5 im Sternbild Schütze [ESA / Hubble and NASA]
Der Kugelsternhaufen Terzan 5 im Sternbild Schütze [ESA / Hubble and NASA]
Die größere Überraschung indes bilden in NGC 1783, so die offizielle Bezeichnung des Haufens, zwei weitere Sterngenerationen. Sie sind mit einem Alter von 890 Millionen bzw. 490 Millionen Jahren noch einmal deutlich jünger als die jeweilige Vorgänger-, respektive Ursprungsgeneration. Weitere Exempel jüngerer Sterngenerationen innerhalb eines Kugelsternhaufens finden sich mit NGC 1696 ebenfalls in der LMC, oder NGC 411 in der Kleinen Magellanschen Wolke, ebenfalls eine kleine Begleitgalaxie der Milchstraße in ca. 200000 Lichtjahren Entfernung. Offenbar erlaubt es ein Mechanismus unter bestimmten Umständen den einzelnen Clustern, weitere Sternpopulationen in mehreren Schüben zu bilden.

Als dieser Mechanismus wird sich vermutlich das „Aufsammeln“ von Gas und Staub herausstellen. In den Hauptebenen von Galaxien ist zumeist ein ungeheurer Vorrat solchen Baumaterials vorhanden, und Haufen, die die Hauptebenen ihrer Galaxien umlaufen sind in der Lage, vor dem Hintergrund ihrer eigenen Schwerkrafteinflüsse, große Materiemengen aufsammeln und in ihrem Inneren konzentrieren. Kollabieren dann diese Gas- und Staubansammlungen unter ihrem eigenen Gewicht, wird die Geburt einer neuen Sterngeneration angeregt. Die aus dieser Phase entstammenden neuen Mitglieder der Kugelhaufen sind dann also quasi eher „adoptiert“ denn aus der ursprünglichen Materiescheibe hervorgegangen.

Lars-C. Depka

Originalarbeit: Formation of new stellar populations from gas accreted by massive young star clusters

 

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