Tabbys Wunderstern KIC 8462852 errötet, wenn er verblasst – aber das Rätsel bleibt

Die Lichtkurve des seltsamen Sterns KIC 8462852 von Mai bis Dezember 2017 (Zeitmarken alle 10 Tage), gemessen mit drei Teleskopen des Las Cumbres Observatory auf Teneriffa (TFN) und Hawaii (OGG) und in Texas (ELP) - die Helligkeitseinbrüche wurden von den Spendern getauft, die die Las-Cumbres-Zeit bezahlten. [Boyajian et al.]

Es gibt einen Fortschritt bei der Ergründung des vielleicht mysteriösesten Sterns der Milchstraße zu vermelden, der aber in keinem Verhältnis zu den sensationsheischenden Schlagzeilen darüber steht: Weder wissen wir jetzt wirklich, warum die Helligkeit des ansonsten unscheinbaren Sterns KIC 8462852 alias Boyajian’s Star alias Tabby’s Star gelegentlich Einbrüche erleidet – noch kann eine Beteiligung Außerirdischer streng genommen ganz ausgeschlossen werden …

„Schade: Aliens haben keine Dyson-Sphäre um Tabbys Stern gebaut“, „Angebliches Alien-Kraftwerk zerfällt zu Staub“ oder „Keine Aliens, nur etwas Staub“ konnte man gestern lesen, aber auch die Pressemitteilungstexter hatten sich nicht bremsen können: Mit „Alien Megastructure not the cause of dimming of the ‚Most Mysterious Star in the Universe'“ oder „New Data Debunk Megastructure Theory“ hatten US-Universitäten den Rummel angeheizt. Gefeiert werden die ersten Helligkeits-Einbrüche seit dem Ende der Kepler-Beobachtungen von KIC 8462852 (Lichtkurve oben), die auch die ersten waren, die in Echtzeit verfolgt werden konnten – und deshalb in mehreren Farben und mit anderen Techniken beobachtet werden konnten. Spektroskopie und Polarimetrie zeigten während der Einbrüche keine signifikanten Veränderungen, aber die Mehrfarb-Fotometrie brachte ein klares Ergebnis. Die nun vorgelegte Analyse befasst sich nur mit „Elsie“, dem ersten der Einbrüche, im Mai 2017: Wie die Lichtkurve in mehreren Farben (unten) zeigt, „errötete“ der Stern dabei deutlich.

Der Helligkeitseinbruch Elsie im Mai 2017 (Zeitmarken in Tagen) im Blauen, Roten und Infraroten: je blauer desto stärker. [Boyajian et al.]
Das lässt zwei Interpretationen zu: Entweder ist Staub mit Teilchengrößen von 100 bis 300 nm vor dem Sternscheibchen her gezogen – oder der Stern selbst hatte sich kurzzeitig verändert. Die Autoren bevorzugen die Staub-Hypothese, wobei es sich um frisch (von unbekannten Körpern auf unbekannten Orbits) freigesetzte Teilchen handeln müsste, denn der Strahlungsdruck des Stern würde sie rasch davon blasen. Der zusätzliche allmähliche Helligkeitsrückgang von Tabby’s Star über Jahre geht allerdings mit viel geringerer Farbveränderung einher und muss eine andere Erklärung haben: Es bleibt auf jeden Fall kompliziert! Eindeutig ausgeschlossen werden kann durch die deutliche Rötung bei Elsie nur, dass sich dabei komplett undurchsichtige Absorber vor Teile des Sterns geschoben haben – aber streng genommen beweist das nicht endgültig, dass hier keine extrem hoch entwickelten Aliens gerade dabei sind, den Stern mit einem Sonnenkraftwerk einzumauern (eine Extrem-Hypothese, die kein Astrophysiker je für die beste hielt). Denn schließlich könnten „ihre“ Solarzellen-Konstrukte ja semitransparent und rotdurchlässig sein. Kurioserweise hatten die unwiderstehlichen Alien-Spekulationen das neue Paper und die wichtigen Farbmessungen überhaupt erst möglich gemacht: Dank ihnen gelang das Crowdfunding, mit dem üppige Beobachtungszeit beim Las Cumbres Observatory eingekauft wurde …

LINKS:
Originalarbeit: https://arxiv.org/abs/1801.00732
Stellare Interpretation: http://iopscience.iop.org/article/10.3847/2515-5172/aaa130/meta>http://iopscience.iop.org/article/10.3847/2515-5172/aaa130/meta
Eine Einordnung der Rötung: http://sites.psu.edu/astrowright/2017/12/26/what-weve-learned-about-boyajians-star

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