Proximas Missverständnis: reingelegt von einem Flare

So täuschte ein heftiger Sternflare eine Staubscheibe um Proxima Centauri vor, die schlicht nicht existiert: links ein Summenbild der Millimeterwellen-Strahlung rund um den markierten Stern aus allen 13 Beobachtungen mit den zentralen Antennen von ALMA, rechts nur die 13. und in der Mitte die Summe der anderen 12 - da kommt praktisch nichts vom Ort Proximas. [MacGregor et al.]

Der Kosmos war ganz schon gemein zu den Radioastronomen, die letztes Jahr mit dem angeblichen Nachweis von jeder Menge staubigen Strukturen um den sonnennächsten anderen Stern Proxima Centauri großes Aufsehen erregt hatten: Wie sich bei nochmaliger Analyse derselben Daten heraus gestellt hat, wurde ausgerechnet die auffälligste zentrale Staubscheibe durch einen starken Flare-Ausbruch auf dem Stern komplett vorgetäuscht. Dessen schiere Existenz zugleich an der Habitabilität des Planeten von Proxima zweifeln lässt.

Die Radioastronomen um Guillem Anglada hatten zwischen Januar und März 2017 immer wieder mit dem Riesenradioteleskop ALMA die Strahlung aus Richtung Proximas bei 1,3 mm Wellenlänge gemessen – und waren dabei von einer konstanten Quelle ausgegangen: Das vereinfacht die komplexe Analyse radiointerferometrischer Daten, liefert am Ende aber auch nur ein einziges Bild. Und auf dem kam vom Ort des Sterns eine Menge Millimeterstrahlung, was als klares Indiz für viel Staub zwischen 1 und 4 au (Astronomische Einheiten = Abstände Erde – Sonne) interpretiert wurde: in der damaligen Grafik der „cold belt“ Nr. 4. Nun haben sich andere Astronomen genau derselben Daten angenommen, sie jedoch einzeln nacheinander betrachtet – und die Überraschung war groß: Am Ort von Proxima strahlte die meiste Zeit überhaupt nichts (Bild oben Mitte), aber ganz zum Schluss, während des 13. und letzten Beobachtungslaufs, erlebte der Stern einen gewaltigen Strahlungsausbruch (Lichtkurve). Dieser Flare war fast 1000-mal so stark wie Proxima bei dieser Wellenlänge in Ruhe strahlt und 10-mal so stark wie die stärksten Flares der Sonne: Er dominiert die Summe über die insgesamt rund 10 Stunden Integrationszeit.

Er kam aus dem Nichts: der enorme Flare auf Proxima Centauri am 24. März 2017, aufgetragen linear der Fluss gegen die Zeit, Marken im Minuten-Abstand. [MacGregor et al.]
Wie hatte man die extreme Variabilität der Millimeterstrahlung von Proxima Centauri zunächst übersehen können? Anglada hatte sie Monate nach Einreichen der Originalarbeit auch selbst entdeckt und zunächst für ein technisches Problem gehalten, wie er Abenteuer Astronomie erzählte, teilt inzwischen aber die Flare-Interpretation der neuen Arbeit. Aber er widerspricht deren Aussage, der Staub sei komplett widerlegt worden: Da sei wohl immer noch ein – schwächeres – Signal, und die damals erschlossene Staubmenge müsse erst einmal nur um einen Faktor 2 bis 3 reduziert werden. Eine neue Analyse in Kenntnis des Flare-Problems ist bereits in Arbeit. Bei der ursprünglichen Auswertung der ALMA-Daten hatten starke Kalibrationsquellen im Bildfeld für problemloses „Stacking“ gesorgt (um es mal in amateurastronomischem Jargon auszudrücken): Dass Proxima selbst die meiste Zeit fehlte, fiel dabei weder der Software noch den Astronomen auf. Und gleich mit dem „Summenbild“ zu arbeiten, so Anglada, sei bei so schwachen Quellen üblich und letztlich auch gar nicht anders möglich, da sonst wieder andere Artefakte auftauchen könnten.

In der neuen Arbeit zweifeln die Kritiker auch gleich noch alle anderen staubigen Strukturen an, die Anglada et al. in den ALMA-Daten gefunden hatten. Der mutmaßliche warme Staub (Nr. 2 in der alten Grafik) könne in Wirklichkeit Emission von der Korona, also der äußeren Atmosphäre, von Proxima Centauri selbst sein, aufgeheizt durch zahlreiche kleinere Flares: Beim vergleichbaren M-Zwerg AU Mic sei das der Fall. Und der auf den ALMA-Bildern ohnehin nur vage angedeutete äußere Staubgürtel (Nr. 5)? Den könnten diverse andere Objekte im Hintergrund vortäuschen oder Strukturen im galaktischen „Zirrus“, der just in dieser Gegend besonders ausgeprägt ist. Anglada teilt die Zweifel im Prinzip – aber den äußeren Gürtel verteidigt er: Dass sich Hintergrundquellen ausgerechnet entlang eines elliptischen Rings rund um einen Vordergrundstern arrangierten, das wäre schon ein großer Zufall. Um hier zu einem klareren Ergebnis zu kommen, müsse man freilich selbst mit ALMA aber derart lange integrieren, dass so viel Messzeit nur schwerlich zu bekommen sei.

LINKS:
Originalarbeit: https://arxiv.org/abs/1802.08257
Carnegie Press Release: https://carnegiescience.edu/news/proxima-centauri%E2%80%99s-no-good-very-bad-day-flare-illuminates-lack-dust-ring-puts-habitability
NRAO Press Release: https://public.nrao.edu/news/2018-alma-flare-proxima

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