Nur 0,1″ groß, ist der Zwergplanet Pluto ein schwieriges Motiv: Auch dem Hubble Space Telescope erscheint er nur wenige Pixel groß (Abb. 1). Trotzdem ist das Interesse groß, vor dem rasanten Vorbeiflug der Raumsonde New Horizons 2015 möglichst viel über die Beschaffenheit seiner Oberfläche zu erfahren, für die Planung der auf wenige Stunden konzentrierten Beobachtungen ebenso wie für ihren Kontext: Dank seiner elliptischen Bahn erlebt dieser Himmelskörper mit den Jahren drastische Veränderungen. Zweimal sind bisher auswertbare Hubble-Aufnahmen von Pluto im sichtbaren und UV-Licht (wo die Auflösung des Weltraumteleskops am größten ist) gelungen, 1994 mit der – längst wieder zur Erde zurückgekehrten – Faint Object Camera der ESA, die so kleine Pixel hatte wie keine andere Kamera seither, und 2002/2003 mit dem hochauflösenden Kanal der Advanced Camera for Surveys. Der amerikanische Pluto-Spezialist Marc Buie hat jetzt eine neuartige Analyse dieser Bilddaten vorgelegt: Ihm ist es gelungen, aus beiden Aufnahmeserien vergleichbare Gesamtkarten des Zwergplaneten zu erstellen. Der hohe Helligkeitsumfang Plutos hilft dabei: Die dunkelsten Regionen reflektieren nur so viel Licht wie Kohle, die hellsten fast 100%. Neben dem Saturnmond Japetus ist Pluto die kontrastreichste Welt des Sonnensystems.
Ein Gesamtbild aus den 20 vergleichsweise detailreichen FOC-Aufnahmen zu erzeugen, ging schnell, doch für die Analyse der insgesamt 384 ACS-Bilder in zwei Farben musste Buie eigens ein System entwickeln, bei dem sich 20 spezielle Computer vier Jahre lang parallel abmühten. Die einzige Lösung war nämlich iterativ: Eine hypothetische Plutokarte wurde schrittweise verändert, jeweils im Rechner so gedreht, wie der Anblick für das Weltraumteleskop zum Zeitpunkt der Aufnahmen war, und mit dessen optischen Defekten – bei der ACS recht erheblich – versehen. Sodann wurde das künstliche Bild mit dem realen verglichen und dann erneut verändert. Am Ende waren tatsächlich zwei nicht mehr zu verbessernde Lösungen für die Gesamtheit aller Bilder der einen wie der anderen Farbe gefunden. Auch die FOC-Bilder waren in zwei Farben aufgenommen, und einer der alten Filter entsprach fast einem der neuen: Hier lassen sich die FOC- und die ACS-Karten direkt vergleichen (Abb. 2). Der Eindruck ist verblüffend: Sieht man von Kometenkernen und kollidierenden Kleinplaneten einmal ab, dann ist Pluto derjenige Körper im Sonnensystem, dessen Oberfläche sich am rasantesten verändert. Von 1994 bis 2002 ist beispielsweise der Norden deutlich heller geworden, im Widerspruch zu den Erwartungen, denn in dem Intervall war die Sonneneinstrahlung auf den Nordpol stärker geworden, was dort eher zum Rückgang heller Reifgebiete führen sollte. Vielleicht hat sich aber bei dessen Sublimation die Textur der Oberfläche in einer Weise verändert, dass das Reflexionsvermögen noch anstieg?
Klar ist auf jeden Fall geworden, dass sich frostige Welten am Rande des Sonnensystems recht kompliziert verhalten können. Insgesamt ist der Pluto orange-braun, was wohl durch Methan zustande kommt, das vom UV-Licht der fernen Sonne zu komplexen, C-reichen Molekülen verarbeitet wurde. Ein heller Fleck ist dagegen Reif aus Kohlendioxid. Zwischen 2000 und 2002 scheint Pluto insgesamt röter geworden zu sein, wofür es überhaupt keinen triftigen Grund gibt: Dieses Mysterium war ein weiterer Grund für die Verspätung bei der Veröffentlichung der ACS-Daten, aber ein technischer Fehler war einfach nicht zu finden (und der Mond Charon auf denselben Bildern änderte seine Farbe nicht). Neue Karten dieser Qualität wird es vor der Ankunft der Sonde New Horizons nicht mehr geben: Zwar waren für 2008 neue ACS-Aufnahmen geplant, aber kurz bevor es so weit war, fiel die Kamera aus. Obwohl 2009 während der letzten Wartungsmission wieder in Gang gesetzt, blieb der hochauflösende Kanal HRC leider tot. So gibt es seit 2003 nur – nicht veröffentlichte – Bilder geringerer Schärfe der anderen Hubblekamera WFPC2, und ab diesem April werden mit deren Nachfolger WFC3 fünf Monate lang neue Aufnahmen gemacht: Auch sie werden bei weitem nicht die Auflösung von ACS-HRC oder gar FOC erreichen, aber wenigstens weitere Farbveränderungen würden sich nachweisen lassen. Zwar könnte man den fernen Zwerg im Prinzip auch mit großen Teleskopen und Adaptiver Optik von der Erde aus auflösen, doch dies funktioniert nur im Infraroten: Für die Planung und spätere Einordnung der – bis zu tausendmal schärferen – Bilder von New Horizons helfen nur Bilder im sichtbaren Licht.
Daniel Fischer
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