Neuer fernster Quasar entdeckt

Das Spektrum des fernsten bekannten Quasars ULAS J112001.48+064124.3 mit einer Rotverschiebung von 7,085 (schwarz) aus Messungen des Very Large Telescope und von Gemini Nord weist etliche starke Emissionlinien auf, die genau zu einem typischen Spektrum (rot) passen, das aus 169 Quasaren mit Rotverschiebungen von 2,3 bis 2,6 gemittelt wurde. [Mortlock et al.]

Ein neuer Rekord in Sachen Rotverschiebung – also Entfernung bzw. Nähe am Urknall – ist es nicht, den der Quasar ULAS J112001.48+064124.3 mit seinen 7,1 aufstellt: Mindestens zwei Galaxien und ein (lange verblasster) Gamma-Ray Burst mit Werten zwischen 8 und 10 sind bekannt. Aber der Quasar ist hunderte Male heller, und es gibt ein überzeugendes Spektrum mit zahlreichen Linien, das aus Daten zweier 8m-Teleskope gewonnen wurde: Das macht ihn zu einer außergewöhnlichen Sonde in eine Zeit, 770 Mio. Jahre nach dem Urknall, über die noch wenig bekannt ist, in der aber Entscheidendes passierte. So lässt sich dem Spektrum entnehmen, dass der Quasar zwar von einer 12 Mio. Lichtjahre großen Sphäre ionisierten Gases umgeben ist, andererseits aber mindestens ein Zehntel des intergalaktischen Mediums in der Sichtlinie zu ihm noch neutral ist (erkennbar am regelrechten Abbrechen des Spektrums links von der Lyman-Alpha-Linie): Er befindet sich noch mitten in der Phase der kosmischen Entwicklung, als das Universum wieder ionisiert wurde. Bei einer Rotverschiebung um 6, bei der inzwischen zahlreiche Galaxien und Quasare bekannt sind, ist dieser Prozess bereits abgeschlossen.

ULAS J112001.48+064124.3 sorgt allerdings auch für Kopfzerbrechen: Unter anderem aus seiner Leuchtkraft von 63 Billionen Sonnen ergibt sich gemäß etablierter Formeln die Anwesenheit eines zentralen Schwarzen Lochs von 1,3 bis 3,5 Milliarden Sonnenmassen – und das kann nach allen bislang diskutierten Szenarien zu diesem frühen Zeitpunkt eigentlich noch gar nicht bis zu dieser Größe gewachsen sein. Denn dieses Wachstum ist zwar ein exponentieller Prozess, der aber durch Strahlungsdruck begrenzt ist: Nur ein einzelner Vorgänger mit einer halben Million Sonnenmassen, direkt aus dem kosmischen Urgas kondensiert, oder tausende gleichzeitig miteinander verschmolzene Überreste massereicher Sterne könnten als Saat funktioniert haben. Zumal der Quasar nur erst etwa 100 Mio. Jahre lang hell ist, wie sich aus der eher kleinen ionisierten Blase um ihn ergibt. Gerne würde man mehr Quasare zu dieser Zeit untersuchen, aber es dürfte am ganzen Himmel nur etwa 100 helle Quasare mit Rotverschiebungen größer als 7 geben. Und schon diesen einen zu finden, hat fünf Jahre gedauert und eine aufwändige Himmelsdurchmusterung mit einem britischen Infrarotteleskop auf dem Mauna Kea erfordert. Zu noch jüngeren Quasaren jenseits von 7 vorzudringen, wäre wohl ohne ein IR-Teleskop mit großem Gesichtsfeld im Weltraum kaum zu machen.

Daniel Fischer

Originalarbeit:
arxiv.org/abs/1106.6088
Gemini-Mitteilung:
www.gemini.edu/node/11649
Kommentar:
arxiv.org/abs/1106.6090

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