Die Suche hatte über die Jahrhunderte mehrere Gesichter und mehrere Namen. Allen gleich war die Motivation: Der Fund bzw. Nachweis eines jeweils jenseits des äußeren bekannten Planeten befindlichen weiteren massiven Himmelskörpers. Ein mysteriöses Objekt, welches mittels seines gravitativen Einflusses die Umlaufbahnen der bekannten Planeten zeitweilig störe und sich auf diese Weise verraten müsse. Und warum auch nicht, schließlich zeigt ein Rückblick in die astronomische Entdeckungshistorie der äußeren Planten genau solche Erfolgsgeschichten. Als Astronomen 1846 nach einem Planeten X jenseits von Uranus suchten, entdeckten die in Berlin tätigen Astronomen Johann Gottfried Galle und Heinrich Louis d’Arrest Neptun. Und als die Wissenschaft nach einem weiteren Planeten jenseits von Neptun fahndete, stieß Clyde Tombaugh im Februar 1930 auf Pluto. Dieser Erfolg war es auch, der der Suche nach dem hypothetischen zehnten Planeten des Sonnensystems neuen Schwung verlieh und letztlich einer ganzen Ära von etwa 1930 bis Mitte der 1980er Jahre ihren Namen verlieh. Es war die große Zeit der Suche nach dem Transpluto.
Der Name lehnte sich an die um 1890 entstandene Arbeitsbezeichnung Transneptun an, die sich 1930 mit der Entdeckung Plutos zunächst erübrigte und heute keineswegs verschwunden ist. In der heutigen Zeit versteht man unter der Bezeichnung eine ganze Gruppe sonnenferner Asteroiden und Zwergplaneten. Denn die Suche nach einem Planeten X (wobei bis zur Herabstufung des Pluto das „X“ neben dem Symbol für das Unbekannte auch für die römische Zahl 10 stand) jenseits von Pluto erwies sich fast schon als zu erfolgreich – die Himmelsforscher stießen auf so viele neue und plutoähnliche „transneptunische Objekte“, kurz TNOs, dass es ihnen eher ratsam erschien, Pluto seinen Status als Planet zu nehmen, als die planetarische Population des Sonnensystems um mehrere hundert Mitglieder zu erweitern. Denn selbst die größten der neu aufgespürten TNOs kamen mit ihrer Größe gerade einmal an Pluto heran – keines dieser Objekte schien vor dem Hintergrund seiner astrophysikalischen Eigenschaften, die Bezeichnung „Planet X“ zu verdienen. Mit zunehmender Zahl der neu entdeckten TNOs schien sich auch gleichzeitig die Chance der Existenz eines massiven äußeren Planeten zu reduzieren und der Gedanke bzw. die Debatte zu diesen Überlegungen wurde eher amüsiert, denn seriös betrachtet.
Bis Anfang Dezember letzten Jahres gleich mehrere Wissenschaftler mit ihrer Meldung aufhorchen ließen, die bislang besten Belege für diesen weit draußen kreisenden Himmelskörper gefunden zu haben. Ihre Bahnberechnungen legen nahe, dass Planet Neun – so er denn existiert – ungefähr die zehnfache Masse der Erde aufweist und auf einer elliptischen Bahn die Sonne einmal in 10000 bis 20000 Jahren umkreist. Er würde sich nie mehr als 200 Astronomische Einheiten (AE) annähern, also der 200-fachen Distanz zwischen Erde und Sonne und hielte sich weit außerhalb von Pluto, im eisigen Reich des Kuipergürtels auf.Bedeutendes Indiz der jüngsten Überlegungen zu Planet Neun ist, dass Sedna, VP113 und mehrere andere KBO alle eine auffällige Eigenschaft teilten: Ihre dichteste Annäherung an die Sonne fand in der Ebene des Sonnensystems statt. Und sie bewegten sich alle von Süd nach Nord, wenn sie diese Ebene durchquerten. So, als hätte sie jemand dazu gedrängt, die gleiche Region des Raumes rund um die Sonne zu besetzen. Seither wird fieberhaft nach Methoden gesucht, das vermutete neue Mitglied des Sonnensystems aufzuspüren. Vielleicht gelingt es nun ausgerechnet der überaus erfolgreichen, inzwischen allerdings auch schon etwas in die Jahre gekommenen Raumsonde Cassini, der Hypothese neue Impulse zu verleihen. Sie umkreist seit 2004 den Saturn und nun könnte ihre Bahn entscheidende Hinweise liefern. Die Analyse von winzigen Bahnunregelmäßigkeiten der Sonde lässt den Schluss zu, dass ein neunter Planet möglicherweise im Sternbild Walfisch zu finden ist. Dort stünde er weit entfernt vom sonnennächsten Punkt seiner vermuteten Bahn, in einem Winkel von etwa 117 Grad zum Perihel und in einer Entfernung von zirka 600 Astronomischen Einheiten. Der dortige Himmelsbereich soll nun systematisch durchmustert werden.
Ergänzung: Inzwischen meldet die NASA, dass die Sonde keinem direkten Einfluss unterliegt, der nicht durch gängige Modelle erklärt werden kann. Welche Auswirkungen das auf die geplante Durchmusterung haben wird, ist noch unklar.
Lars-C. Depka
Die NASA hat inzwischen klar gestellt, dass es keinerlei Störungen der Bahn von Cassini gibt, die auf einen hypothetischen Planeten hinweisen.