Der Mars Express und die mysteriösen Mega-Wolken

Typisches Bild einer der gigantischen Wolken über dem Rand des Planeten Mars, die Amateurastronomen 2012 mehrmals sichteten, hier am 19. März 2012 - und trotz aller Bemühungen der Wissenschaft inklusive Parallelbeobachtungen aus dem Orbit fehlt weiter jede plausible Erklärung. [Wayne Jaeschke]

Eine Rarität im 21. Jahrhundert: Amateurastronomen entdecken auf dem nach der Erde besterforschten Planeten des Sonnensystems ein auffälliges neuartiges Phänomen – und auch vier Jahre später gibt es keine schlüssige Erklärung dafür. Gemeint sind gigantische helle Wolken über dem Planetenrand, die vom 12. März bis 17. April 2012 vielfach fotografiert wurden und bis in 280 km Höhe reichten. Drei Jahre nach dem nicht wieder beobachteten Phänomen hatten führende Planetenforschern (mit den beteiligten Amateuren als Co-Autoren) in der renommierten Zeitschrift Nature konstatieren müssen, dass weder gewaltige Staub- noch extrem hohe Eiswolken noch superhelle Auroraemission, die drei zwischenzeitlich postulierten Erklärungen, mit dem Wissen über den Mars vereinbar sind: Bis in solche Höhen wären sie wegen der Atmosphärenstruktur des Mars schlicht unmöglich bzw. keineswegs mit der nötigen Helligkeit zu erzeugen. Dasselbe gilt für eine entfernt vergleichbare Beobachtung mit dem Hubble Space Telescope vom Mai 1997. Jetzt ist das Mysterium abermals aufgegriffen worden, diesmal im Kontext von Messungen des Mars Express quasi vor Ort.

Den geheimnisvollen Wolken nahe gekommen oder gar durch sie hindurch geflogen ist der Marsorbiter der ESA leider nicht, aber er konnte den Zustand des Sonnenwinds und der Plasmaumgebung des Planeten während der Erscheinungen dokumentieren – jeweils über dem gegenüber liegenden Terminator (bei dessen Erreichen sich die morgens entstandenen Wolken immer schon aufgelöst hatten). Auch aus den Messungen des Mars Express ergibt sich kein offensichtlicher Mechanismus für die Entstehung der hellen Riesenwolken, aber sie geben den Spekulationen wenigstens eine neue Richtung. Denn zum einen bildeten sich die Wolken über einer Region des Mars mit besonders starkem Rest-Magnetfeld aus einer früheren Epoche. Und die Zeitpunkte ihres Auftretens passen zum Eintreffen starker Störungen des interplanetaren Raums durch große Massenauswürfe der Sonnenkorona (was interessanterweise auch bei der Hubble-Sichtung 1997 der Fall war): Die größte hatte den Mars just am 9. März 2012 erreicht, drei Tage vor den ersten Anzeichen der Wolke. Wie sie freilich von einer interplanetare Störung erzeugt worden sein könnte, dazu fällt auch den Autoren von 2016 nichts ein – aber sie fordern, man möge den Mars und seine Atmosphäre in solchen Zeiträumen besonders intensiv überwachen.

Daniel Fischer

LINKS:
Das Mysterium 2012: http://www.oculum.de/newsletter/astro/100/50/9/159.cl0ud.asp#3
Paper von 2015: http://www.nature.com/articles/nature14162.epdf
Neues Paper: http://arxiv.org/abs/1603.05906

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