Ist unsere Heimatgalaxis um ein Vielfaches masseärmer als bislang angenommen? Eine neue Abschätzung des Anteils der Dunklen Materie lässt annehmen, dass die Milchstraße tatsächlich nur ein Viertel bis maximal ein Drittel der seit 2009 postulierten 1,0 bis 1,9 Billionen Sonnenmassen aufweist. In der möglicherweise grazileren Erscheinungsform mag auch der Mangel an kleineren Begleit- bzw. Zwerggalaxien in unserer unmittelbaren Nachbarschaft zu suchen sein. Gängige Modelle über die Entstehung und Entwicklung von Galaxien sehen eine ungleich höhere Anzahl von Satellitengalaxien um die Milchstraße vor. Gefunden wurde indes nur ein Bruchteil der erwarteten Begleiter.
Unsere Milchstraße ist ein Musterbeispiel für eine Spiralgalaxie: Der größte Teil ihrer Sterne be?ndet sich in einer dünnen Scheibe, die in spiralförmige Arme gegliedert ist und um ihr Zentrum rotiert. In dieser Scheibe liegt auch unsere Sonne, etwa 25000 Lichtjahre vom Zentrum der Milchstraße entfernt. Sterne und andere Himmelskörper machen die gewöhnliche, sichtbare Masse unserer Galaxie aus. Die Leuchtkraft der Galaxie nimmt nach außen ab, da zum Rand hin der Abstand zwischen den Sternen zunimmt. Würde die Masse der Milchstraße ebenso wie die Leuchtkraft exponentiell nach außen abfallen, müssten auch die Rotationsgeschwindigkeiten der Sterne um das Zentrum nach außen abfallen. Dem ist aber nicht so, denn selbst in Abständen von mehr als 50000Lj sind die Geschwindigkeiten der Sterne weitgehend unabhängig von der Entfernung zum Zentrum. Dies wird darauf zurückgeführt, dass die Scheibe der Milchstraße von einem großen, annähernd kugelförmigen Gebilde aus Dunkler Materie umgeben ist, einem sogenannten »Dunklen Halo«. Die Menge der Dunklen Materie sucht man vor dem Hintergrund ihrer beständigen Weigerung, sich über ihre Gravitations-Wechselwirkung hinaus bemerkbar zu machen, anhand der Bewegung der Sterne dingfest zu machen. Problematisch daran ist jedoch, dass nicht nur die Dunkle, sondern auch die gewöhnliche Materie diese Bewegung der einzelnen Sterne beein?ussen. Hinzu kommt, dass auch die Massen der Milchstraßensterne bestenfalls näherungsweise zu bestimmen sind.
Die Menge der Dunklen Materie ließe sich also erst dann belastbar abschätzen, wenn der Anteil der gewöhnlichen Materie zuverlässig bekannt wäre. Da allerdings der Einfluss der Dunklen Materie in Entfernungen von 4500Lj und mehr über und unter der galaktischen Scheibe immer dominanter, die gewöhnliche Materie mit zunehmender Entfernung jedoch immer weniger wird, bildet die Kenntnis der Bewegungsparameter solcher Sternpopulationen eine haltbare Basis, um Rückschlüsse auf den Anteil der Dunklen Materie ziehen zu können. Hieraufhin ausgerichtete Simulationen lieferten Galaxienmodelle mit Dunklen Halos zwischen 800 Milliarden und rund zwei Billiarden Sonnenmassen, wobei das leichtere der beiden Modelle die aktuellen Beobachtungen, respektive die tatsächlichen Gegebenheiten, am überzeugendsten nachbildet. Besonders mit Blick auf die lediglich 26 bekannten Begleitgalaxien der Milchstraße scheint einiges für eine »schlanke« Heimatgalaxis zu sprechen, sollte doch anderenfalls eine Vielzahl gravitativ gebundener Satellitengalaxien erwartet werden können.
Lars-C. Depka
iopscience.iop.org/2041-8205/773/2/L32/article;jsessionid=67A29C714A12785B04F8D091A2707468.c1 |
www.cfa.harvard.edu/news/2009/pr200903.html |
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