Kosmologischer Durchbruch mit dem cleveren Mini-Radioteleskop EDGES?

Mehr ist da nicht: zwei horizontale Metallplatten auf Fiberglas-Ständern, darunter ein Metallnetz im hintersten Outback von Westaustralien (und das Ganze nochmal in 150 m Abstand) - aber das Experiment to Detect the Global EoR Signature (EDGES) könnte Hinweise auf die allerersten Sterne des Universums und womöglich zudem die Natur der Dunklen Materie gefunden haben. [CSIRO Australia]

Es wieder eine dieser kosmologischen Arbeiten, bei denen eine kleine Forschergruppe in jahrelanger mühsamer Arbeit mit einem simplen aber exotischen Instrument eine möglicherweise bahnbrechende Entdeckung gemacht hat, doch ohne ausgiebige Diskussion möglicher Fehlerquellen und alternativer Interpretationen und vor allem mindestens eine völlig unabhängige Bestätigung bleiben Zweifel. Aber wenn die Ergebnisse des kuriosen EDGES-Teleskops und ihre Analyse Bestand haben, dann könnte die Astrophysik der Natur der rätselhaften Dunklen Materie gehörig näher gekommen sein.

Das verschachtelte Akronym EDGES steht für „Experiment to Detect the Global EoR Signature“, wobei EoR wiederum „Epoch of Reionization“ bedeutet: Es geht um das bessere Verständnis der ganz frühen Geschichte des Universums, als es erst noch ‚dunkel‘ war (Dark Age), bevor nach einigen hundert Millionen Jahren die ersten Sterne entstanden (Cosmic Dawn), deren Strahlung das Gas ionisierte (Reionization) und das Weltall durchsichtig machte. Am Anfang war die Gasdichte im kleinen Kosmos noch so hoch, dass sich die Atome ständig stießen: Die Spin-Temperatur des Wasserstoffs – ohne ein bisschen Quantenphysik geht es hier leider nicht – war mit der Gastemperatur identisch.

Mit der kosmischen Expansion erlaubte dann die Ausdünnung des Gases der Spin-Temperatur bis auf die höhere wenn auch langsam fallende Temperatur der Hintergrundstrahlung – sozusagen dem Nachglühen des Urknalls – zu steigen, während die ’normale‘ Gastemperatur sank. Als dann aber die ersten Sterne zündeten, so eine lange etablierte Theorie, wurde ihre ultraviolette Strahlung vom Wasserstoff in der Umgebung absorbiert und zwang die Spin-Temperatur abermals auf die wahre Gastemperatur zurück. Der Cosmic Dawn lässt das Gas also – für Radioastronomen, die den Spin über die ’21-cm-Strahlung‘ des Wasserstoffs direkt beobachten können – kühler erscheinen, was sich als Absorption im Spektrum der Hintergrundstrahlung bemerkbar macht. Und genau diesen Effekt scheint EDGES nun – nach zweijährigen Beobachtungen – tatsächlich erstmals nachgewiesen zu haben.

Und das sind die EDGES-Radiospektren, auf denen die kühnen Interpretationen basieren: oben das tatsächlich gemessene Radiospektrum – man sieht ausschließlich Vordergrundeffekte (Temperaturskala beachten). Darunter die Analyse: In der zweiten Zeilen wurde links nur der modellierte Vordergrund aus starker Emission der Milchstraße wie der irdischen Ionosphäre subtrahiert, rechts zusätzlich die wie unten links modellierte 21-cm-Strahlung des Wasserstoffs. Und unten rechts wurde der Rest (c) wieder zum Wasserstoff-Modell addiert: Das ist der breite Absorptionstrog, zentriert auf 78 MHz, 20 MHz breit und ein halbes Grad tief, auf dem alle Schlussfolgerungen bzgl. Gastemperatur und den Einfluss Dunkler Materie basieren. [Bowman et al.]
Die Forscher unter Leitung der Arizona State University hatten ihre – verblüffend simplen – Radioantennen in einer explizit radioruhigen Zone im Outback von Western Australia aufgebaut, denn das erwartete Signal lag ausgerechnet im UKW-Bereich. Und nach zahlreichen technischen Überprüfungen und vor allem der Subtraktion auch aller natürlichen Vordergrundgrundstrahlung (Grafiken) haben sie offenbar das Absorptionssignal durch die Strahlung der ersten Sterne gefunden. Der Cosmic Dawn ist im Zeitraum 180 bis 270 Mio. Jahre nach dem Urknall präsent (bei Rotverschiebungen von 20 bis 15), was grob den Erwartungen entspricht – aber der Kühleffekt ist doppelt so stark wie erwartet, was auch den klaren Nachweis mit EDGES überhaupt erst ermöglicht hat!

Keine vernünftige astronomische Erklärung ist den Forschern eingefallen, außer dass Teilchen der Dunklen Materie damals direkt mit dem Gas durch Stöße (!) wechselwirkten und so eine zusätzliche Kühlung bewirkten. Parallel mit der Entdeckung wurden bereits umfangreiche Modellrechnungen vorgestellt, nach denen sehr leichte Teilchen jenseits der Standardphysik – die allen Detektoren für den Direktnachweis bislang entgehen konnten – am besten passen würden. Aber erst einmal muss klar sein, dass der Absorptionseffekt überhaupt echt ist: Schon Stunden nach der Veröffentlichung meldeten andere Astronomen erste Zweifel an. Und auch die EDGES-Forscher machen bei jeder Gelegenheit (und auch gegenüber Abenteuer Astronomie) klar: Andere mögen bitte nach Fehlern bei ihnen suchen – und vor allem eigene Messungen machen. Und die sind an mehreren Orten auf der Erde tatsächlich schon in Vorbereitung, wobei ein Radioteleskop auf der Rückseite des Mondes allerdings besser wäre …

LINKS:
Arbeit mit der Entdeckung: https://www.nature.com/articles/nature25792.epdf
Arbeit zum Effekt Dunkler Materie: https://arxiv.org/abs/1802.10577
Hintergrund: https://www.nature.com/articles/d41586-018-02310-9
Einordung: https://theconversation.com/signal-detected-from-the-first-stars-in-the-universe-with-a-hint-that-dark-matter-was-involved-92427
Zweifel: https://threadreaderapp.com/thread/969071237405097985.html

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