Milchstraße ist eine zweiarmige Balkenspirale

Das neue(ste) Bild unserer Milchstraße, mit zwei ausgeprägten und zwei deutlich schwächer definierten Spiralarmen, wie es sich nach aktuellen Spitzer-Daten einem Beobachter von oben darbieten würde. [Künstlerische Darstellung: Caltech]
Das neue(ste) Bild unserer Milchstraße, mit zwei ausgeprägten und zwei deutlich schwächer definierten Spiralarmen, wie es sich nach aktuellen Spitzer-Daten einem Beobachter von oben darbieten würde. [Künstlerische Darstellung: Caltech]
Seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts haben sich Generationen von Astronomen bemüht, die Gestalt der Spiralgalaxie zu ergründen, in der Sonne und Erde sitzen: eine enorm schwierige Aufgabe, denn die Spiralarme überlagern sich aus uns unserer Perspektive natürlich allesamt, und außerdem behindert interstellarer Staub den Blick in der Milchstraßenebene. Es waren daher die durch diese Absorption kaum gestörten Radioastronomen, die Mitte des vergangenen Jahrhunderts erstmals überhaupt eine schemenhafte Spiralstruktur nachweisen konnten, doch bis heute blieb ihre wahre Gestalt kontrovers. Gleich drei Dutzend verschiedene Modelle unserer Galaxis zeigte etwa ein entnervter Astronom noch kürzlich auf einem Tagungsposter, die alle irgendwie zu den Beobachtungen passten. Am populärsten war zuletzt die Vorstellung von vier ausgeprägten Spiralarmen, die nach ihrer Lage am Himmel Norma, Scutum-Centaurus, Sagittarius und Perseus getauft wurden; die Sonne sitzt dabei zwischen den letzteren beiden Armen in einem partiellen Arm. Das Spitzer Space Telescope hat nun eine ganz neue Herangehensweise möglich gemacht – und das Bild mit den vier Armen vermutlich widerlegen können. Zu den Hauptaufgaben des NASA-Satelliten gehörten mehrere systematische Himmelsdurchmusterungen, und für eine davon waren 800000 Aufnahmen eines Drittels des Milchstraßenbandes gemacht worden, 130° lang und 2° breit.

Mehr als 110 Millionen einzelne Sternen sind in diesem gewaltigen Mosaik enthalten, kaum beeinflusst von Staubabsorption, und mit ihnen lässt sich eine Menge Statistik betreiben. Je nach Blickrichtung kann man die Sternzahl pro Fläche in Abhängigkeit der vermuteten Spiralstruktur der Milchstraße voraussagen und dies mit der tatsächlichen Spitzer-Karte vergleichen. Zum Perseus-Arm sagt sie wegen seiner Lage »hinter« uns nichts aus, der Scutum-Centaurus-Arm macht sich in den Sternzahlen klar bemerkbar – aber die anderen beiden Arme fehlen komplett! Jedenfalls was Spitzer-kompatible und auch im sichtbaren Licht helle Sterne betrifft, junge heisse ebenso wie Rote Riesen: Als neues Bild der Milchstraße ergibt sich eine zweiarmige Spirale, wobei beide Arme symmetrisch an den Enden eines zentralen Balkens beginnen, der schon länger bekannt ist. Zwischen diesen beiden Hauptarmen Scutum-Centaurus und Perseus liegen dann zwei gasreiche aber von wenigen Sternen gezierte Arme, die zwar Radioastronomen auffallen, zum visuellen Eindruck der Milchstraße von außen aber kaum beitragen würden. Noch ist die Datenanalyse im Fluss, und das nun auf einer großen Astrotagung in Saint Louis präsentierte Bild ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber unsere Milchstraße stellt sich jetzt als eine ordentlichere Balkenspirale dar, als es zuvor den Anschein hatte.

Daniel Fischer

Pressemitteilung zu der Spitzer-Auswertung: www.jpl.nasa.gov/news/news.cfm?release=2008-094

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