Mehr Fragen als Antworten zum Polarlicht-Mysterium „STEVE“

Ein "STEVE" am Himmel: nicht besonders hell (es musste lange belichtet werden, erkennbar an den vielen Sternen), auf Fotos auffällig rosa und von kleinen grünen Strichen begleitet - aber klar abgesetzt vom normalen Polarlichtgeschehen, mit dem er trotzdem irgendwie zusammen hängt. [Megan Hoffman]

Die erste wissenschaftliche Arbeit zu einem erstaunlichen Leuchtphänomen in der Hochatmosphäre, das kürzlich kanadische Amateurastronomen entdeckten, ist endlich erschienen: Sie gibt ihm zwar mit „Strong Thermal Emission Velocity Enhancement“ (STEVE) einen offiziellen Namen und erklärt es für ausgesprochen bedeutsam – aber wie es eigentlich funktioniert, das bleibt weiter zu erforschen. Wobei sich erneut Amateurastronomen verdient machen können.

Ziemlich klar ist inzwischen der Katalog der Eigenschaften, die einen STEVE ausmachen: ein relativ dünner Bogen in Ost-West-Richtung, auf Fotos rosa bis lila, manchmal von einem „Jägerzaun“ aus kurzen grünen Strahlen begleitet. Er tritt nur auf, wenn auch starke normale Aurora vorhanden ist (was aber keinesfalls umgekehrt gilt), und ist dann ihr gegenüber 4 bis 10 Grad Richtung Äquator versetzt. Und das Phänomen gibt es offenbar nur von März bis September, dann eher vor Mitternacht und nur 20 Minuten bis eine Stunde lang. Die entscheidende Information, die bisher fehlt, ist das Spektrum des lila Leuchtens (um das sich aber bereits Amateurbeobachter bemühen): Es ist völlig unklar, welche Atome oder Moleküle der Luft hier angeregt werden. Ausgerechnet normale digitale Fotokameras sehen das Licht jedenfalls besonders gut, während wissenschaftliche Aurora-Kameras kaum STEVE-empfindlich sind: Just die klassischen Aurora-Emissionslinien fehlen mithin, andere Chemie ist am Werke. Im Nachhinein wurden allerdings schwache STEVE-Spuren auf zahlreichen älteren Aufnahmen entdeckt: Wirklich selten ist das bis vor wenigen Jahren schlicht übersehene Phänomen nicht.

Zwei Zeitschritte eines typischen STEVE, am 25. Juli 2016 über dem kanadischen Saskatchewan: Weitere Phasen sind in diesem Video zu sehen. Die normale Aurora ist unten rechts als grüner horizontnaher Schimmer zu erkennen, STEVE befindet sich 4° südlich davon. [MacDonald et al.]
Und auch der Verursacher scheint dingfest gemacht, dank der Messungen eines Swarm-Satelliten, der einmal direkt durch einen STEVE hindurch flog: Es ist offensichtlich eine besonders heftige Variante der schon länger bekannten Sub-Auroral Ion Drift (SAID), einer schnellen Strömung heißer Ionen in der Hochatmosphäre – von der man freilich keinerlei Leuchteffekt erwartet hätte. Warum es die STEVEs also überhaupt gibt, bleibt mithin ein Rätsel – aber sie öffnen schon jetzt ein überraschendes Fenster in jene Region über der Erde, wo die Ionosphäre und die Magnetosphäre verkoppelt sind, und geben Auskunft über Vorgänge am äquatorseitigen Rand der Aurora-Zone, der wenig erforscht ist. Die Autoren des STEVE-Papers feiern geradezu überschwänglich die kanadischen Polarlichtfreunde, die auf das Phänomen gestoßen waren, es systematisch studierten und die Fachwelt kontaktiert hatten: ein Musterbeispiel der kreativen Zusammenarbeit von Amateuren und Profis. Sie waren freilich auch genau am richtigen Ort: Eindeutige Sichtungen von STEVEs liegen nämlich nur aus dem Norden Nordamerikas, dem Vereinigten Königreich und Neuseeland vor – und ausgerechnet aus der Polarlichthochburg Skandinavien nicht.

LINKS:
Originalarbeit: http://advances.sciencemag.org/content/4/3/eaaq0030.full
NASA Release: https://www.nasa.gov/feature/goddard/2018/mystery-of-purple-lights-in-sky-solved-with-help-from-citizen-scientists
Hintergrund: http://www.sciencemag.org/news/2018/03/there-s-new-aurora-subpolar-skies-its-name-steve

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