Magellansche Wolken zum ersten Mal in der Nähe: mehr Fragen als Antworten

Seit es mit dem Hubble Space Telescope gelungen ist, die Eigenbewegung der Magellanschen Wolken am Himmel direkt zu messen, ist das Verständnis unserer kosmischen Nachbarschaft eher geringer geworden: Es gilt jetzt als wahrscheinlich, dass sich die beiden kleinen Galaxien derzeit zum ersten Mal überhaupt der Milchstraße nähern. Und damit für mehrere Phänomene nicht verantwortlich sein können, die man ihnen hätte zuschreiben können, wenn sie die Milchstraße schon mehrmals umrundet hätten. Bereits neuere Modellrechnungen zur Masse und Gestalt der Milchstraße hatten zweifeln lassen, ob die Große Magellansche Wolke überhaupt gravitativ an die Milchstraße gebunden ist: Ihre Bahnperiode läge bei 10 Milliarden Jahren, und sie entfernte sich bis auf auf 300 bis 400 kpc (1 Mio. Lichtjahre). Vorher war man von einer Periode von 1,5 Mrd. Jahren und einem Apogalaktikon von 100 kpc ausgegangen.

Eine ungewöhnlich flache Zwerggalaxie ist der Herkules-Zwerg, der seine kuriose Zigarrenform Wechselwirkungen mit der Milchstraße verdanken dürfte. Diese Beobachtungen sind übrigens die ersten mit dem Large Binocular Telescope, die als referiertes Paper erscheinen werden.

Die Hubble-Messungen der hohen 3D-Geschwindigkeit der beiden Galaxien machen es nun praktisch zur Gewissheit, dass sie nicht an die Milchstraße gebunden und zum ersten Mal in ihre Nähe gekommen sind. Damit kann die Schwerkraft der LMC (die SMC hat nur 1/10 ihrer Masse) aber nicht für die gemessene Verkrümmung der Scheibe der Milchstraße verantwortlich sein. Und vor allem ist wieder völlig offen, wie der sogenannte Magellansche Strom zustande gekommen ist, ein langes Band aus Wasserstoff, das sich 100° lang über den Himmel erstreckt und sowohl die Galaxien wie auch den südlichen galaktischen Pol einschliesst. Magellansche Wolken auf einer polaren Umlaufbahn um die Milchstraße wären ein naheliegender Verursacher gewesen: Gezeiteneffekte oder Reibung hätten ihnen das Gas entrissen haben können – wenn sie schon mehrmals durch das Perigalaktikon gelaufen wären. Nun muss nach einer neuen Erklärung gesucht werden. Und auch die mehrfachen Schübe von Sternentstehung in den Galaxien können nicht auf frühere Begegnungen mit der Milchstraße zurückgehen.

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