Macho marodiert durch die Galaxis

Der Stern MACHO 176.18833.411 (rot) wurde nahe dem galaktischen Zentrum entdeckt. Die berechnete Bewegung des Sterns (blau) über die letzten eine Milliarde Jahre zeigt, dass er sich zum Teil weit in den Halo der Milchstraße hinausgewagt hat. Rechts unsere Sonne (gelb). [AIP/Janine Fohlmeister, Andrea Kunder]

Unter RR-Lyrae-Sternen versteht man im Allgemeinen Sterne von etwa einer halben Sonnenmasse und fünffachem Sonnendurchmesser. Solche Riesensterne besitzen einige ebenso seltsame, wie nützliche Eigenschaften. Zu den zweifellos dienlichen Charakteristika zählt sicherlich der streng periodische Lichtwechsel (Perioden von 0,2 – 1,2 Tagen), der mit einer veränderten Oberflächentemperatur von 6000°C bis 7500°C einhergeht.

Verantwortlich für dieses Treiben im Sterninneren ist der sogenannte Kappa-Mechanismus. Im Allgemeinen herrscht in einem Stern ein Kräftegleichgewicht. Das heißt, die Gravitationskraft, die den Stern zu kontrahieren versucht, wird ausgeglichen durch den Strahlungsdruck, der durch die Kernfusion im Inneren entsteht. Der Kappa-Mechanismus erzeugt eine rücktreibende Kraft, die dazu führt, dass ein Stern pulsiert. Im Inneren eines Sterns wird durch Kernfusion Energie in Form von Gammastrahlung erzeugt. Diese Energie wird allerdings nicht direkt vom Stern abgestrahlt. Wegen der hohen Dichte im Sterninneren wird die Gammastrahlung auf ihrem Weg zur Oberfläche des Sterns vielfach gestreut. Diese teilweise Undurchlässigkeit der Sternatmosphäre wird Opazität genannt und oft mit dem griechischen Buchstaben Kappa bezeichnet. Im Inneren eines Sterns ist die Opazität allerdings nicht konstant. Sie hängt vom Druck und der Temperatur ab und hat außerdem für jede Wellenlänge einen unterschiedlichen Wert. Nimmt nun die Opazität mit zunehmender Temperatur des Sternmaterials zu, dann können daraus Pulsationen entstehen.

Bei der Geschwindigkeitsbestimmung von rund einhundert RR-Lyrae-Sternen im Milchstraßenzentrum tat sich einer von ihnen ganz besonders hervor: Mit nahezu 500km/s rast er durch den zentralen Bereich der Milchstraße. Vor dem Hintergrund ihrer Eigenschaften als Standartkerze gelang es, sowohl die exakte Entfernung, als auch den Orbit des Rasers für die letzte eine Milliarde Jahre zu rekonstruieren. Der Stern mit dem Katalognamen MACHO 176.18833.411 zeichnet eine deutliche Wanderbewegung als Passant durch den Halo und weist die höchste, jemals registrierte Geschwindigkeit eines RR-Lyrae-Sterns innerhalb des Bulge auf. Mit exakt 482km/s bewegt er sich nur knapp unterhalb des Tempolimits, welches ihn bei Überschreitung aus der Milchstraße hinaus schleudern würde. Sterne mit solchen Geschwindigkeiten sind nur sehr vereinzelt nahe des galaktischen Zentralbereiches zu finden. Umso interessanter der Erkenntnisgewinn, dass die Bahnbewegung des Sterns nicht ausschließlich auf den Bulge begrenzt ist, sondern sich weit bis in den Halo erstreckt. Die Entdeckung könnte zukünftig helfen, alte Bulge-Sterne von solchen anderer Regionen, die zufällig den dichten Zentralbereich der Milchstraße durchziehen, zu unterscheiden. Solche Passanten wurden in der Vergangenheit vereinzelt irrtümlich als ursprüngliche Bulge-Sterne klassifiziert.

Lars-C. Depka

Originalarbeit:
arxiv.org/abs/1506.02664

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