Nicht nur Amateurastronomen haben sich über das lange und tiefe Minimum der Sonnenaktivität gewundert, das nun zu Ende zu gehen scheint: Auch die Profiastronomie hat nach abweichendem Verhalten der Sonne gesucht – und in den vergangenen Wochen hat eine wahre Flut wissenschaftlicher Veröffentlichungen allerlei Unterschiede zu den vorangegangenen Sonnenminima berichtet, die nachzuweisen es jeweils sehr spezieller Messmethoden bedurfte. Eine davon besteht in der Beobachtung der grünen Emissionslinie der Sonnenkorona von 13-fach ionisiertem Eisen (Fe XIV), die so stark ist, dass sie mit Spezialteleskopen auch von der Erde aus ohne Sonnenfinsternis ständig beobachtet werden kann. Schon in den 1990-er Jahren wurde entdeckt, dass schon mehrere Jahre vor dem Beginn eines neuen Sonnenzyklus Aufhellungen der Fe-XIV-Korona in hohen Breiten erscheinen und langsam Richtung Äquator driften, wo sie später mit dem bekannten Schmetterlingsdiagramm der Verteilung der Sonnenflecken zusammen fallen. Während sich ein Zyklus dem Äquator nähert, sieht man aber auch immer ein zweites Intensitätsmaximum der Fe-XIV-Korona polwärts driften, was in der Sonnenliteratur »Rush to the Poles« genannt wird (vgl. Abb.).
Der 24. Zyklus, der das nächste Maximum bringen wird, hat im Fe-XIV-Licht bereits um 1999 in 70° Breite begonnen, doch die Drift Richtung Äquator verlief um 40% langsamer als bei den drei Zyklen zuvor: Sie betrug nur 3,1° pro Jahr gegenüber 5,3° bzw. 4,7°/Jahr bei den Zyklen 22 und 23. Auch hat möglicherweise schon vor ein paar Jahren ein Rush to the Poles eingesetzt, der aber 50% langsamer als üblich ist: Die Sonne verhält sich also tatsächlich ungewöhnlich, und wenn frühere Zusammenhänge von Fe-XIV-Drift und Aktivitätsverlauf gültig bleiben sollten, dann wird das nächste Maximum – über dessen Höhe diese Technik nichts aussagen kann – erst 2013 oder 2014 eintreten. Während die sichtbare Sonnenaktivität im Laufe des Zyklus Richtung Äquator wandert, wandern schwache Muster des Sonnenmagnetismus – nur durch direkte Feldmessungen zu erkennen – gleichzeitig polwärts: Dieser »meriodionale Fluss« ist gewissermaßen ein Förderband für das Sonnenfeld, das einen geschlossenen Kreislauf bildet und in engem Zusammenhang mit dem globalen Dynamo steht.
Dieser spielt sich im Wesentlichen an der Grenze der inneren Strahlungs- zur Konvektionszone der Sonne ab, wo das langsame »Förderband« – das für eine Runde etwa 40 Jahre benötigt – in 200000km Tiefe Richtung Äquator zurück läuft: Von dort her aufsteigende Magnetfeldschleifen sorgen dann vermutlich für die sichtbaren Sonnenflecken. Der meridionale Fluss hat sich nun auch verändert: Er ist nach Messungen des SOHO-Satelliten im gegenwärtigen Minimum mit 13,0m/s (schon seit 2004) deutlich schneller als im vorangegangenen Minimum mit 11,5m/s. Das könnte über die Jahre zu einer Abschwächung der Magnetfeldstärke an den Polen geführt und das besonders lange Minimum hervorgerufen haben. Vieles ist aber noch unverstanden, z.B. wie ein schnellerer meridionaler Fluss zu einer gleichzeitig verlangsamten Drift der Sonnenflecken passt, wenn alles ein geschlossener Kreislauf sein soll. Eine dritte Studie schließlich sorgt ebenfalls für Verwirrung: Drei von vier Satelliteninstrumenten für die Messung der gesamten Sonnenstrahlung (Total Solar Irradiance, TSI) zeigten im aktuellen Minimum einen um 200ppm niedrigeren Wert als im vorangegangenen an, ein viertes jedoch einen sogar geringfügig höheren. Allein dieses Jahr noch sollen drei weitere, verbesserte TSI-Instrumente auf den Satelliten Picard und Glory starten: Vielleicht wird dann klarer, wie der Strahlungsausstoß der Sonne insgesamt auf das ungewöhnliche Minimum reagiert hat.
Daniel Fischer
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