Krater auf Titan »vom Winde verweht«

Vergleich zweier Krater auf Titan: Der gut erkennbare Sinlap (links) ist kaum verfüllt und weist eine ähnliche Tiefe wie vergleichbare Krater auf dem Jupitermond Ganymed auf. Der Krater Soi (rechts) ist dagegen bereits weitgehend zugeweht und daher auf Radarbildern nur noch schemenhaft zu erkennen. [NASA, JPL-Caltech, ASI, GSFC]

Vom Winde verweht sind tatsächlich selbst die größten Einschlagkrater auf Titan. Seit Mitte des Jahres 2004 befindet sich die Raumsonde Cassini inmitten des Saturnsystems auf Forschungsreise und hat seither neben vielen weiteren Beobachtungen inzwischen auch etwa 50% der Oberfläche des größten Saturnmondes Titan kartografiert. Flächenbezogene Vergleiche offenbaren nun sehr viel weniger Einschlagstrukturen, als sie beispielsweise auf kleineren atmosphärelosen Saturnmonden zu finden sind.

Ein Grund für das quantitativ eklatante Missverhältnis ist zunächst in der dichten Titanatmosphäre zu suchen. Ihr Druck lastet mit durchschnittlich etwa 1,5 bar auf Titans Oberfläche und übersteigt somit den Druck auf der Erdoberfläche um rund 50%. Unter Berücksichtigung der geringen Schwerkraft und Oberflächentemperatur bedeutet dies, dass sich über jedem Quadratmeter Titanoberfläche die zehnfache Gasmasse verglichen mit der Erde befindet und ihre Dichte in Bodennähe fünfmal so groß ist. Die gesamte Masse der Gashülle ist etwa 1,2-mal so groß wie die der – wesentlich größeren – Erde.

In diesem Gas- und Dunstmantel zerbirst bzw. verglüht etwa die Hälfte aller einfallender Objekte. Dass auf sämtlichen Oberflächenradaraufnahmen indessen maximal 60 Einschlagkrater zu identifizieren sind, wirft die Frage nach dem Verbleib aller anderen auf. Die Analyse der individuellen Eigenschaften der kraterassoziierten Oberflächenstrukturen macht das Wettergeschehen auf Titans Oberfläche für das Verschwinden der meisten Impaktspuren verantwortlich. Vergleiche mit dem atmosphärelosen Ganymed zeigten, dass Titans Krater bei vergleichbar großen Strukturen im Mittel um mehrere hundert Meter flacher ausgeprägt sind. Ein Umstand, der gut mit geologischen Prozessen, die die Krater auffüllen, begründet werden kann.

Durch feinen »Sand«, der durch Winde in der dichten Titanatmosphäre verteilt wird, kommt es in vergleichsweise kurzen Zeitabschnitten zu einem vollständigen Auffüllen der Impaktkrater, was sie letztlich unsichtbar für die Radarbilder der Raumsonde macht. Der »Sand« hat seinen Ursprung in der zum größten Teil aus Stickstoff bestehenden Titanatmosphäre. Sie enthält zusätzlich gleichwohl auch Spuren von Methan, Äthan und weiteren komplexen Kohlenwasserstoffen. Die Methanmoleküle zerfallen unter dem ultravioletten Einfluss der solaren Strahlung in einzelne Bruchstücke, die wiederum untereinander reagieren. Sie bilden so immer größere und massereichere Komplexe. Schließlich werden die Schwebeteilchen so schwer, dass sie auf die Oberfläche herabrieseln und dort durch Verklumpungen zu dem feinen Oberflächenmaterial werden, das für das Verschwinden der Titankrater verantwortlich ist.

Lars-C. Depka

Originalarbeit:
www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0019103512004848

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