Kosmischer Hungerstreik im Galaktischen Zentrum

Komposit aus Bildern im Röntgenbereich (blau) und Infrarot (rot und gelb). Im Inset erkennt man das Umfeld des Schwarzen Lochs im Röntgenlicht. Es zeigt sich eine längliche Wolke aus heißem Gas, die das Schwarze Loch umgibt. [NASA/UMass, Daniel Wang et al.; Infrarot: NASA/STScI]

Unter Sgr A* (gesprochen: Sagittarius A Stern) versteht man eine Quelle von Radiowellen im Zentrum der Milchstraße, die nach derzeitigem Forschungsstand als ein supermassereiches Schwarzes Loch von etwa 4 Millionen Sonnenmassen identifiziert werden kann. Über sein Fressverhalten und die Fütterungsmechanismen existieren eine Vielzahl von Konzepten und Theorien, von denen seit 2005 ein Ansatz für besonderes Aufhorchen in der Forschungsgemeinde sorgte. Seinerzeit wurden mit dem Röntgenteleskop Chandra Helligkeitsausbrüche in der Nähe von Sgr A* beobachtet, die darauf schließen lassen, dass sich im Umkreis von etwa 7Lj bis zu 20000 Schwarze Löcher befinden, die das supermassereiche zentrale Schwarze Loch der Milchstraße umkreisen. Dadurch wird eine seit 2003 kursierende Theorie gestützt, nach der das zentrale Schwarze Loch über kleinere Löcher »gefüttert« wird. Sie steht in Konkurrenz zu den bisherigen Annahmen, wonach – verkürzt gesprochen – Gaswolken das Schwerkraftzentrum umkreisen und sich dabei vereinigen.

Wird eine kritische Masse erreicht, kollabiert die Wolke und stürzt in das Schwarze Loch. Ein solcher gängiger Fütterungsprozess scheint bei Sgr A* nicht recht zu funktionieren. Spätestens seit Anfang des Jahrtausends scheint gefestigt, dass Sgr A* nicht nur auf Diät, sondern regelrecht »ausgehungert« daher kommt. Und wieder spielt der Röntgensatellit Chandra eine wesentliche Rolle bei der genaueren Präzisierung seines Fressverhaltens. Überraschend wenig, denn nur etwa ein Prozent der in das Schwerefeld des Schwarzen Loches eintretenden Materie findet tatsächlich auch ihren Weg in das Schwarze Loch hinein. Der weitaus größere Teil des mittels Chandra beobachteten Gases wird schon vor Erreichen des Ereignishorizonts wieder in das All hinausgeschleudert.

Anstatt sich in einer Akkretionsscheibe um Sgr A* zu sammeln und aufzuheizen, ist Sgr A* von einer länglichen Strahlungswolke umgeben, deren Gasmassen nur sehr dürftig im Röntgenspektrum leuchten. Etwa eine Million Mal schwächer, als es aufgrund der sich im Umfeld um das Schwarze Loch befindlichen Materie der Fall sein sollte. Zwar sind die Gasschwaden im Einflussbereich des Schwarzen Loches nicht so energiereich wie vermutet, dennoch sind sie verhältnismäßig heiß. Auch ist das Gas in der Region sehr diffus verteilt, so dass nur schwer ein Temperatur- und Drehmomenttransfer vonstatten gehen kann. Genau der ist allerdings die Voraussetzung, um über eine Akkretionsscheibe in das Schwarze Loche zu spiralen. Im Falle des galaktischen Schwarzen Loches bedeuten die regionalen Besonderheiten in seiner Umgebung einen immensen Verlust von etwa 99% der einströmenden Materie.

Lars-C. Depka

Originalarbeit:
www.sciencemag.org/content/341/6149/964.summary

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