Komet McNaught immer noch knapp »im Trend« – und ein exotischer Satellit verfolgt ferne Schweifabrisse heller Kometen

Eine Garantie für einen »Große;n Kometen« in wenigen Tagen ist sie noch lange nicht, aber die Entwicklung des Kometen C/2006 P1 (McNaught) ist von seiner Entdeckung im August bis in die letzte Dezemberwoche 2006 ausgesprochen geradlinig verlaufen, mit leichter Andeutung eines Einknickens erst in den letzten paar Tagen: Wenn der Komet so weiter macht wie in den Monaten zuvor, dann könnte er rund um sein Perihel am 13. Januar bis auf -6. Größe steigen. Schon jetzt zeigt McNaught auf Fotos tief in der Dämmerung einen Staubschweif! »Geradliniger Verlauf« bezieht sich dabei auf die klassische Darstellung von Kometenhelligkeiten als Funktion des Abstands von der Sonne: Für die meisten Kometen gilt m = Ho + 2.5 n log(r) + 5 log (Delta), wobei m die von der Erde aus beobachtete Gesamthelligkeit ist, r und Delta die Kometenabstände von Sonne und Erde (in AU), Ho die Grundhelligkeit des Kometen für r = Delta = 1 AU und n ein empirisch zu bestimmender Faktor, der angibt, wie heftig ein Komet bei Annäherung an die Sonne heller wird. Für einen Körper, der einfach nur Sonnenlicht reflektiert, wäre n=2, ein »typischer« Komet hat n=4 – und McNaught hat bis zum ca. 25. Dezember permanent ein n=7,3 durchgehalten, ohne Helligkeitsausbrüche aber auch ohne Durchhänger.

Diese Analyse hat freilich einen Schönheitsfehler: Wegen der ewigen Horizontnähe des Kometen basiert sie praktisch nur auf CCD-Aufnahmen unter exotischen Umständen anstatt auf visuellen Helligkeitsschätzungen, schon deswegen ist das erstaunliche Ergebnis mit Vorsicht zu geniessen. Die Kamera sieht nur den Innenbereich der Koma und verpasst den (visuell dominierenden) Aussenbereich, der in der Regel deutlich langsamer in der Helligkeit steigt. Das »wahre« n sollte mithin kleiner als die obige 7 sein, womit der Komet in den kommenden zwei Wochen »nur« auf 0. oder -1. Größe steigen sollte. Die jüngsten halbwegs präzisen CCD-Werte vom 26. Dezember, die auf damals 4. bis 5. Größe und eine gute Entwicklung schliessen lassen (fotografische Erfolge anderer gab es auch am 27. und 30. Dezember und vom 1. Januar), lagen jedenfalls noch im Trend, der sich aus allen Aufnahmen bis zum 16.12. ergeben hatte. Und diese Entwicklung würde für +1. Größe am 1. Januar, 0. Größe am 3., -1. am 5., -3. am 7., -5. am 9. und -6. Größe am 11. und 13. Januar sprechen …

Mit der steigenden Helligkeit werden die dringend benötigten visuellen Schätzungen (die im Dezember hierzulande wie auch in Spanien wiederholt misslangen) allmählich wieder möglich werden – praktischerweise ist die Geometrie just auf 51° Nord derzeit am besten. Visuelle Sichtungen werden vom Abend des 26. und Morgen des 29. 12. gemeldet, lassen aber noch keine Schlüsse über den weiteren Trend zu. Im Gesichtsfeld des Satelliten SOHO wird der Komet nur wenige Tage rund um’s Perihel erscheinen, und für Photometrie sind dessen Korona-Teleskope auch nur bedingt geeignet. In wenigen Tagen sollte sich nun entscheiden, ob es McNaught »schaffen« wird (trotz seiner eher bescheidenen Grundhelligkeit von Ho=+7,5 laut obiger Analyse); auch in heller Dämmerung ist die Fotografie von Kometen jedenfalls möglich.

Komet McNaught
Komet McNaught

Beobachtungen kometarer Schweifabrisse in enormer Kerndistanz scheinen mit einem exotischen Kamerasystem auf dem experimentellen amerikanischen Militärforschungssatelliten Coriolis gelungen zu sein, der am 6. Januar 2003 gestartet ist: Das Instrument heisst Solar Mass Ejection Imager, Abkürzung SMEI, Aussprache »Smih«. Seine eigentliche Aufgabe ist das Verfolgen von Massenauswürfen der Sonnenkorona weit in den interplanetaren Raum, vergleichbar also den Heliospheric Imagers auf den STEREO-Sonden (von denen es übrigens erste Bilder gibt), und über 100-mal war SMEI auch erfolgreich; die Voraussage des Weltraumwetters an der Erde soll sich dadurch um 30% verbessert haben. Die drei hochempfindlichen Kameras, die alle 102 Minuten den gesamten Himmel abtasten und nur eine 20° große; Zone um die Sonne aussparen müssen, sehen aber noch viel mehr des Universums, Kometenschweife inklusive. Im Frühjahr 2004 gab es derer gleich drei gleichzeitig, als die hellen Kometen C/2004 F4 (Bradfield), C/2002 T7 (LINEAR) und C/2001 Q4 (NEAT) fast gleichzeitig ihren großen Auftritt hatten.

Bradfield war dabei von der Erde aus nur schwer zu beobachten, und für das Paar LINEAR/NEAT reisten Beobachter eigens auf die Südhalbkugel, wo beide durchaus interessante Plasmaschweife von etlichen Grad Länge zeigten. SMEI jedoch, so wurde in der Nacht zum 13.12.2006 auf dem Fall Meeting der American Geophysical Union (AGU) in San Francisco auf einer Pressekonferenz (der interstellarum telefonisch zugeschaltet war) berichtet, konnte die Schweife der drei noch um ein Mehrfaches weiter verfolgen. Und dabei 4-mal bei LINEAR (jedes Bild misst 60×90°) sowie zweimal bei NEAT Abrisse der Schweife in ihren Aussenbereichen verfolgen, wobei einmal ein über LINEARs Schweif laufender Koronauswurf die direkte Ursache gewesen zu sein scheint. Für die anderen Abrisse war vermutlich Magnetumkehr im Sonnenwind verantwortlich, und die Tatsache, dass Bradfield überhaupt keine Abrisse zeigte, könnte mit seiner speziellen Lage relativ zum Sonnenfeld zusammengehangen haben. Ein Mitglied des SMEI-Teams zweifelte später gegenüber interstellarum daran, dass die Kameras in 5 der 6 Fälle wirklich komplette Schweifablösungen gesehen haben: Die Schweife hätten lediglich wellenartige Bewegungen vollführt.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*