Kein gutes Leben auf Planet b: Flares auf Proxima Centauri schaden Atmosphäre

Die komplette Lichtkurve des sonnennächsten Sterns Proxima Centauri, gemessen 2016-18 mit dem Evryscope in Chile (Zeitmarken in 100-Tages-Abstand, Helligkeit in halben Größenklassen): Immer wieder gibt es scharfe Helligkeitsausbrüche, rot markiert, von denen drei typische im Detail gezeigt und der Superflare vom März 2016 - 2,5 Größenklassen heller als jeder andere - markiert sind. [Howard et al.]

Kein Stern – außer der Sonne – ist näher und damit auch kein Exoplanet: Entsprechend groß ist das Interesse an Proxima Centauri b, der zudem in einem solchen Abstand um den Roten Zwerg kreist, dass lebensfreundliche Bedingungen denkbar wären. Oder auch nicht: Die Überwachung von Proxima Centauri mit einem exotischen Teleskop hat gezeigt, dass der Stern so häufig rabiate Helligkeitsausbrüche erleidet, dass er eine Ozonschicht nachhaltigen zerstören und zumindest die Oberfläche des Planeten unbewohnbar machen dürfte.

Diese Erkenntnis stammt von einer ziemlich ungewöhnlichen Himmelsüberwachung, dem „Evryscope„: eine Art Facettenauge aus zahlreichen Mini-Teleskopen, die fortwährend den Himmel über dem Cerro Tololo in Chile aufnehmen, alle 2 Minuten jeweils 8000 Quadratgrad, mit Sternen bis zur 16. Größe hinab. Schon jetzt sind 2,5 Millionen Rohbilder im Archiv, 350 Terabyte, die sowohl automatisch wie auch manuell ausgewertet werden. Dabei wurde ein „Superflare“ auf Proxima Centauri entdeckt, bei dem im März 2016 die Helligkeit des Zwergsterns kurz um das mindestens 70-fache oder 4,6 Größenklassen anstieg – von 11,4 mag. im g‘-Band auf 6,8 mag., was ein extrem dunkelangepasstes Auge vielleicht hätte wahrnehmen können, in einem Fernglas auf jeden Fall aber leicht zu sehen gewesen wäre. Flares sind bei Roten Zwergen, Proxima Centauri zumal, keine Seltenheit (ein solcher Strahlungsausbruch hatte erst letztens Radioastronomen in die Irre geführt), ein solcher Superflare aber war hier noch nie gesehen worden. Damit zu rechnen ist wohl etwa 5-mal pro Jahr, wobei die Helligkeit sogar noch größer ausfallen könnte: Es ist nicht auszuschließen, dass Proxima Centauri für Sekunden leicht für das bloße Auge sichtbar wird.

Proxima Centauris „Superflare“ vom 18. März 2016 im Detail: der Strahlungsfluss im g‘-Band (in 5-er Schritten relativ zum Grundniveau) gegen die Zeit (in Minuten relativ zum Maximum), dazu 5 Bilder einer der Kameras des Evryscope. [Howard et al.]
Trotzdem sind solch seltene Extremfälle – hier mit einer geschätzten Gesamtenergie von 10^33,5 erg – für das Gesamtbild der Umweltbedingungen auf dem Planeten Proxima b weniger relevant als das permanente schwächere Flare-Geschehen auf Proxima Centauri, das das Evryscope umfassender als je zuvor dokumentierte: In insgesamt 56 Tagen Beobachtungszeit seit Januar 2016 wurden noch 23 weitere Flares mit 10^30,6 bis 10^32,4 erg registriert. Mit jedem vermutlich damit einhergehenden Schwall von Protonen wird die Ozonschicht einer Planetenatmosphäre beschädigt, die sich erst langsam wieder erholt – und bei Proxima b kommt es erst gar nicht dazu, weil dann schon wieder der nächste Flare nachlegt (Lichtkurve oben). Ohne Ozon ist die Oberfläche aller UV-Strahlung schutzlos ausgeliefert: Auch die widerstandsfähigsten erdbekannten Mikroorganismen hätten während der Flares keine Chance. Aber über das Wesen unseres nächsten planetaren Nachbarn darf natürlich weiter spekuliert werden: Sollte es dort Ozeane oder Höhlensysteme geben, dann könnten durchaus noch lebenswerte Nischen existieren. Die Flare-Freudigkeit von Proxima Centauri hat aber wieder in Erinnerung gerufen, dass Rote Zwerge zwar manche Vorteile als Exoplaneten-Gastgeber bieten, weil sie sehr häufig und langlebig sind, aber eben nicht nur.

LINKS:

Originalarbeit: https://arxiv.org/abs/1804.02001
Evryscope Press Release: https://evryscope.astro.unc.edu/proxima-superflare-public-info
Proxima-Hoffnungen 2017: http://www.pnas.org/content/114/26/6646.full

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*