Erstaunliches Filament im Zentrum der Milchstraße

Neue Radiobilder der H-II-Region Sagittarius A West bei zwei Wellenlängen (rechts das mittlere Bild aufgehellt): Sgr A* ist das mutmaßliche massereiche Schwarze Loch im absoluten Zentrum, der Northern Arm gehört zur "Minispirale" (s.u.), IRS 7 ist eine starke Infrarotquelle und SgrAWF ist das kürzlich entdeckte Filament. Der Maßstab entspricht 12" oder 1,6 Lichtjahren. [Morris et al.]

Im Galaktischen Zentrum hat sich das zentrale mutmaßliche Schwarze Loch Sgr A* (mit 4 Mio. Sonnenmassen) mit einer Art Spirale aus ionisiertem, leuchtendem Gas umgeben: Sagittarius A West wird diese Struktur aus mehr oder weniger eindeutigen Strömen genannt, die dem Schwerefeld von Sgr A* gehorchen. Ihr überlagert sind zahlreiche schmale Filamente, die auf andere Weise leuchten: Es ist offenbar Synchrotronstrahlung, von Elektronen, die um Magnetfelder sausen. Und die neueste Radiokarte zeigt nun ein solches nichtthermisch strahlendes Filament genauer – das direkt mit Sgr A* verbunden zu sein scheint.

Spezielle Auswertemethoden für die Daten des Very Large Array (VLA), eines großen Radiointerferometers in New Mexico, waren erforderlich, um das bereits vor ein paar Jahren entdeckte Filament – SgrAWF getauft – endlich sauber aus dem komplexen und kontrastreichen Gewimmel rund um Sgr A* zu isolieren: So sorgt allein die starke Radiostrahlung des letzteren für eine Menge Probleme. Die fertigen Radiobilder in zwei Wellenlängen zeigen nun, wie das Filament in der Nähe von Sgr A* abknickt und genau auf das mutmaßliche Schwarze Loch zu zeigen scheint. Leider kann es wegen dessen starker Strahlung nicht bis zu ihm hin verfolgt werden, aber ein Zusammenhang ist zumindest suggeriert: Das ist bei keinem anderen der vielem Filamente der Fall, und es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass es sich nur um eine zufällige Überlagerung handelt. Die Breite von SgrAWF kann selbst der VLA nicht auflösen, womit es schmaler als 0,3″ oder 1/25 Lichtjahr sein muss. Und ein Gegenstück in Wasserstoff-Emission gibt es nicht, was klar für Synchrotronstrahlung spricht.

Die innersten Lichtjahre des Zentrums der Milchstraße bei 8,3 GHz Radiofrequenz oder 3,6 cm Wellenlänge, ebenfalls mit dem VLA aufgenommen: Der weiße Fleck ist Sgr A*, die “Spiralarme” bestehen aus ionisiertem Gas in der unmittelbaren Nachbarschaft. [NRAO/AUI]
Die wahrscheinlichste Interpretation von SgrAFW ist – eine tatsächliche Verbindung mit Sgr A* vorausgesetzt – eine Art magnetischer Zylinder, in dem direkt energiereiche Teilchen aus der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs abtransportiert werden: Von dem Feld auf scharf gekrümmte Bahnen gezwungen, sorgen sie für die Synchrotronstrahlung. Es stürzt 100- bis 1000-mal mehr Masse in Richtung von Sgr A* als dort schließlich ankommen: Daher muss es einen wie auch immer gearteten Materieausfluss geben, auf den es bisher aber keinen direkten Hinweis gibt. SgrAWF könnte nun ein solcher geordneter Weg nach draußen sein, das Magnetfeld zumindest auf einer Seite von Sgr A* wäre klarer strukturiert als bislang vermutet, und das Auftreten des Magnetkanals auf nur einer Seite des Schwarzen Lochs wäre durch zu chaotische Magnetfelder auf der anderen Seite zu erklären.

Die Autoren der neuen Radiokarten des Filaments erwähnen aber noch eine andere, viel exotischere Interpretation: Es könnte sich um einen sogenannten kosmischen String handeln, einen hypothetischen topologischen Defekt im Raum, kurz nach dem Urknall entstanden, beinahe eindimensional und mit Masse und elektrischen Strömen ausgestattet – theoretisch könnte solch ein Gebilde durch Reibung am interstellaren Medium ins Galaktische Zentrum gedriftet und von Sgr A* eingefangen worden sein. Weitere VLA-Beobachtungen schon in naher Zukunft könnten das testen: Solch ein String sollte schnell oszillieren und dann anders aussehen, der magnetische Kanal dagegen bliebe an derselben Stelle. Und sollte sich am Ende bei noch klareren Radiobeobachtungen herausstellen, dass SgrAWF doch nichts mit Sgr A* zu tun hat, dann wäre das Filament zumindest mit seinem Knick – wohl verursacht durch heftigen ‚Seitenwind‘ im interstellaren Medium – etwas Besonderes und der Mühe wert.

LINKS:

Originalarbeit: https://arxiv.org/abs/1711.04190
CfA Press Release: https://www.cfa.harvard.edu/news/2017-35
Das Zentrum bei vielen Wellenlängen: http://www.astro.ucla.edu/~ghezgroup/gc/journey/wave.shtml

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*