Bei der Sonnenfinsternis vor 1/2 Jahr: Amateur gelingt beste Messung des Einstein-Effekts

Auf Bildern der totalen Sonnenfinsternis vom 21. August 2017 - durch unscharfe Maskierung extrem im Kontrast gesteigert - wie diesen hat ein Amateurastronom 20 Sterne identifiziert, ihre Ortsverschiebung durch die Gravitationswirkung der Sonne gemessen und den von Einstein vorhergesagten Effekt genauer nachgewiesen als dies jemals im sichtbaren Licht gelungen ist. [Donald G. Bruns]

Grandiose Leistung eines Amateurastronomen bei der totalen Sonnenfinsternis in den USA vor genau einem halben Jahr: Donald G. Bruns aus Kalifornien ist es mit einem kleinen Refraktor, sehr viel Vorbereitung und sorgfältiger Auswertung gelungen, die von Einstein vorhergesagte Lichtablenkung durch das Schwerefeld der Sonne genauer zu messen als es je mit optischen Mitteln vom Erdboden aus gelungen ist. Neue Wissenschaft liefert das zwar nicht, aber es beweist die Leistungsfähigkeit moderner Amateurtechnik – und mag eine Herausforderung sein, es noch genauer zu machen.

Nachdem Albert Einstein Ende 1915 die Allgemeine Relativitätstheorie ausformuliert hatte, konnte diese neue Sichtweise auf die Schwerkraft als erstes kleine Abweichungen der Merkurbahn erklären, die die klassische Physik nicht verstanden hatte. Ihren Triumpfzug begann sie aber erst, nachdem Sonnenfinsternis-Expeditionen im Jahr 1919 die von ihr vorhergesagte Lichtablenkung durch das Schwerefeld der Sonne nachwiesen, die als moderate Gravitationslinse wirkt. Die Verschiebung der Örter von Sternen in der Nähe der komplett vom Mond bedeckten Sonne war freilich derart gering, dass später Zweifel aufkamen, ob bei der Analyse durch einen erklärten Einstein-Fan auch alles mit rechten Dingen zugegangen war: Erst 2007 konnte die Forschung dies klar bestätigen. Mehrere weitere aufwendige Finsternis-Kampagnen bis 1973 zeigten zwar immer wieder die vorhergesagten Verschiebungen, aber stets mit unerfreulich großen Fehlerbalken – dann gab es die Fachastronomie dran, denn mit Radioteleskopen war der Einstein-Effekt inzwischen viel genauer gemessen und exakt bestätigt worden. Aber das heißt ja nicht, dass man es nicht noch einmal mit moderner Technik versuchen könnte.

Der Standort auf der Spitze des Casper Mountain in Wyoming und Bruns‘ Teleskop-Aufbau – mit nur 543 mm Brennweite sehr bescheiden verglichen mit dem gigantischen Aufwand, der zu Beginn des 20. Jh. getrieben wurde, und doch mit besseren Ergebnissen. [Google Earth bzw. Steve Lang]
Das hat der kalifornische Amateurastronom Donald G. Bruns bei der ‚Great American Eclipse‘ vor einem halben Jahr getan, als er auf dem Casper Mountain in Wyoming in 2390 m Höhe einen 10-cm-Refraktor (auf 87 mm abgeblendet) und eine CCD-Kamera in Stellung brachte. Frühere Expeditionen hatten das Sternfeld, in dem sich die Sonnenfinsternis ereignete, mit einem halben Jahr Abstand erneut fotografiert, um die wahren Sternörter zu ermitteln – Bruns dagegen verließ sich auf einen modernen supergenauen Sternkatalog, in den sogar schon der erste Data Release des Gaia-Satelliten einging. Und eine besonders präzise Ermittlung der sogenannten Plattenkonstanten, d.h. der mathematischen Funktion, die die Position auf dem Kamerachip in die wahre Koordinate am Himmel umwandelt. Dazu wurden zu Beginn und Ende der Totalität zwei Sternfelder 7,4° links und rechts der dunklen Sonne aufgenommen, in gleicher Höhe über dem Horizont, so dass die Lichtbrechung durch die Atmosphäre identisch war. Zur Totalitätsmitte entstanden dann mehrere Aufnahmen mit 0,62 Sekunden Belichtungszeit, um möglichst schwache Sterne zu erwischen (von denen es mehr auf einer Seite der Sonne gab, daher das zu ihnen hin verschobene Gesichtsfeld; Bild oben links) und mit 0,09 Sekunden (oben rechts) für zwei helle Sterne näher am Sonnenrand aber schon mit starker Sonnenkorona davor.

Zwei verschiedene Messungen der Lichtablenkung durch die Sonne während Sonnenfinsternissen: Die Ablenkung in Bogensekunden ist gegen den Abstand von der Sonne in Sonnenradien aufgetragen. Die Kurve ist die Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie, die offenen Kreise sind Messungen der letzten professionellen Expedition von 1973, die schwarzen Symbole Ergebnisse von Bruns mit jeweils zwei verschiedenen Analyse-Verfahren: Sie streuen deutlich weniger um die Kurve. [Donald G. Bruns]
In einer kürzlich vorgelegten Arbeit beschreibt Bruns in allen Einzelheiten die monatelangen Vorbereitungen, die kritischen Minuten (zum Glück ohne Wettersorgen) und schließlich die Auswertung: 18 Sterne in größerem Sonnenabstand konnte er astrometrieren und die beiden in Sonnennähe. Das Diagramm zeigt die beobachtete Verschiebung durch das Schwerefeld der Sonne, auch im Vergleich zu historischen Daten: Die Amateurmessungen des Einstein-Effekts sind deutlich genauer, seine Größe kann auf 3,4% genau abgeleitet werden und unterscheidet sich vom theoretischen Wert erst in der vierten Dezimalstelle. Die hohe Präzision geht vor allem auf die Verwendung von zwei Sternfeldern beiderseits der Sonne zurück, wodurch sich systematische Fehler heraus mittelten, mit denen frühere Forscher zu kämpfen hatten. Bruns glaubt, dass weitere Verbesserungen seiner Technik den Messfehler noch auf 2% drücken können sollten – allerdings wird es bis 2027 kein so reiches Sternfeld mehr in der Nähe einer total verfinsterten Sonne geben. Und helle Sterne nahe am Sonnenrand – deren Licht besonders stark abgelenkt wird (Datenpunkte ganz links im Diagramm) und die stark zum überzeugenden Gesamtergebnis von 2017 beitrugen – werden sich leider erst wieder im Jahr 2254 blicken lassen …

LINKS:

Die Arbeit von Bruns: https://arxiv.org/abs/1802.00343
Die Fragestellung: https://eclipse2017.nasa.gov/testing-general-relativity
Was 1919 wirklich geschah: https://arxiv.org/abs/0709.0685

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