Amateurastronomie auf der Raumstation?

Mondaufgang über Australien, aufgenommen vom japanischen ISS-Astronauten Soichi Noguchi aus einem der Seitenfenster der gerade installierten Aussichtskuppel auf der Raumstation. [Noguchi]

Man wusste schon immer, dass Astronauten im Orbit ihre Freizeit meist damit zubringen, aus dem Fenster zu schauen. Und auch, dass dabei über die Jahre hunderttausende Fotos der Erde entstanden sind, die bei der NASA archiviert und gelegentlich sogar wissenschaftlich ausgewertet werden. Aber seit dem 24. Januar 2010 ist etwas anders geworden: An diesem Tag begann das japanische Crewmitglied Soichi Noguchi, über die kurz zuvor eingerichtete erste direkte Verbindung der Internationalen Raumstation zum irdischen Internet tagesaktuelle Bilder an seine Fans zu schicken, die er aus den Fenstern der ISS aufgenommen hatte. Dazu bedient sich Noguchi des unter Astronauten immer beliebteren Kurznachrichtendienstes Twitter und des angeschlossenen Bilderdienstes TwitPic, über den jeder seine faszinierend kontrastreichen Aufnahmen mit einer High-End-Digitalkamera und zumeist starkem Teleobjektiv betrachten kann. Die meisten Bilder zeigen Landschaften und Städte auf der Erde, letztere manchmal als Quiz oder mit aktuellen Bezug wie bei den Erdbebenregionen in Haïti und Chile – zehntausende rund um die Welt sind jedes Mal dabei.

Doch zuweilen richtet Noguchi seine Kamera auch Richtung Horizont, nebst Dämmerungseffekten, Mond, Venus oder nachtleuchtenden Wolken, wie sie zu Jahresbeginn über der Südhalbkugel zu sehen waren. Die hohe optische Qualität der Aussichtsfenster der gerade erst installierten »Cupola« sorgt dabei – wenn sie gerade geöffnet sind – für eine Bildschärfe weit besser als bei Bildern, wie sie aus typischen Flugzeugfenstern gelingen, und eine formatfüllende Aufnahme des letzten Vollmonds würde so manchem Amateurastronomen zur Ehre gereichen. Was die Frage aufwirft: Könnte man die ISS nicht auch für anspruchsvollere Astrofotografie nutzen? Sonnennahe helle Kometen wie vor drei Jahren McNaught oder Planetenkonstellationen in der Nähe der Konjunktion bieten sich als Motive an. Und exzellente Bilder nächtlicher Städte deuten bereits an, dass Empfindlichkeit wie Stabilität der Kameratechnik für einige Arten der Astrophotographie ausreichen müssten. Dank Noguchis kontinuierlichen TwitPic-Stroms hat die Menschheit plötzlich »Augen« auf der Raumstation bekommen, und Publikumswünsche nach irdischen Zielen hat der Astronaut zuweilen auch schon erfüllt: Der Weg zu unser aller stellvertretendem Amateurastronom im Orbit ist da nicht mehr weit …

Daniel Fischer

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