Zum wiederholten Mal schon hat ein deutscher Fernsehsender die Hypothese einer Gruppe von Hobbyforschern über den kosmischen Ursprung einer Reihe von Senken im Chiemgau zur wissenschaftlichen Sensation und gar zum bahnbrechenden Durchbruch in der Keltenforschung hochstilisiert, nach einem Privatsender nun am 8. Januar das ZDF mit »Der Chiemgau-Komet« in der Reihe »Terra X«. Kein Wort wurde darüber verloren, dass die dramatische Hypothese von der Explosion eines gewaltigen Kometen vor 2500 Jahren hoch über Bayern gelinde gesagt umstritten ist. »Alle Aspekte des Beitrags, die sich auf die Extraterrestrik beziehen, sind abenteuerlich falsch!« protestiert der Münsteraner Planetologe Prof. Elmar Jessberger in einem offenen Brief an das ZDF: »Nichts stimmt.« Intensiv mit der Materie befasst hatte sich bereits der bekannte Meteoriten-Kenner Dieter Heinlein: »Vor etlichen Jahren sind einige Leute des von Hobbyforschern gegründeten „Chiemgau Impact Research Team“ an mich herangetreten, ich möge doch ihre „faszinierende Idee“, dass in der Keltenzeit ein giganischer Meteoriteneinschlag den Chiemgau verwüstet hätte, beweisen.
Sie legten mir dazu einige Fundproben aus dem „Streufeld“ vor, u.a. rohe Eisenbrocken, Ferrosilizium-Kügelchen, vermeindliches Impaktmaterial, usw. Ich beschäftige mich seit nun fast 30 Jahren mit Meteoriten und Impaktphänomenen. Ich bin zwar selbst kein Fachwissenschaftler, kenne aber die Szene der renommierten Fachleute weltweit sehr genau. Und so legte ich die betreffenden Proben genau den Kapazitäten vor, in deren jeweiliges Fachgebiet sie fielen. Alle – ohne Ausnahme – bestätigten mir, dass sie nicht den geringsten Hinweis auf eine meteoritische Herkunft oder einen Meteoriteneinschlag finden konnten! Die rohen Eisenbrocken enthalten kein Nickel, die Kügelchen aus Ferrosilizium haben überhaupt nichts mit Meteoriten zu tun und sind schon gar nicht präsolar! Kosmogene Edelgase sind nicht vorhanden. Auch die Sauerstoffisotopenanalyse ergab, dass das Material zu 100% irdisch ist. Und das angebliche Impaktmaterial enthält keinen Beleg für eine meteoritische Entstehung.« Das »Chiemgau Impact Research Team« liess sich jedoch von Heinleins Ergebnissen nicht entmutigen und fand einen bis dato in der Impakt-Szene unbekannten Geologen, der bereit war, die Theorie des Meteoriteneinschlags im Chiemgau dennoch zu verfolgen. »Schliesslich waren die Leute des „CIRT“ ja fest entschlossen, eine Sensation im Chiemgau zu bekommen,« so Heinlein.
Dieser Geologe habe es dann mangels Erfolges in der Fachliteratur vorgezogen, »seine Theorie über das Internet und v.a. das Fernsehen publik zu machen – und das bedauerlicherweise auf sehr reisserische Art. Diese unprofessionelle Methode der „Publikation“ diskreditierte ihn in Kreisen der renommierten Fachwissenschaftler eigentlich so sehr, dass diese nicht einmal mehr den Anlass für eine Gegendarstellung sahen. Auf einen „Kometen“ kamen die Leute des „Chiemgau Impact Research Team“ übrigens nur, weil sich kein meteoritisches Material mehr finden liess.« Um das große; »Streufeld« von Löchern und kleinen Seen zu erklären, wird weiterhin behauptet, dass der angebliche Komet in 70 km Höhe explodiert sei. »Aber warum, bitte, sollte sich ein Kometenkern in solch großer Höhe bereits zerlegen?« fragt Heinlein: »In 10 bis 15 km Höhe: o.k., vielleicht. Aber niemals in 70 km Höhe! Ein bisschen Ahnung von Impaktphänomenen sollte man vielleicht schon haben, bevor man sich mit solchen Behauptungen „aus dem Fenster lehnt“!« Jessberger wie Heinlein listen noch jede Menge weitere Ungereimtheiten auf, wozu auch die angebliche Datierung des »Ereignisses« gehört. »Es ist bedauerlich, dass das ZDF zu bester Sendezeit die Zuschauer mit pseudowissenschaftlichem Quatsch bildzeitungsmässig vollmüllt,“ zürnt Jessberger: »In der Schule würde man sagen: „Setzen, Sechs.“«
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