Planet im Rückwärtsgang

Bei 15 Exoplaneten ist es bisher gelungen, die räumliche Lage ihrer Umlaufbahnen relativ zur Drehrichtung ihrer Sterne zu bestimmen oder zumindest abzuschätzen — und in nicht weniger als fünf Fällen gibt es erhebliche Abweichungen, d.h. die Rotationsachse des Sterns steht nicht senkrecht auf der Bahnebene.

So verrät sich der »Rückwärtsgang« des Planeten WASP-17b: als charakteristische Zacke in (nach Phase aufgetragenen) Radialgeschwindigkeitsmessungen seines Sterns, während der Planet vor dessen Scheibchen vorbeizieht. Ein ausgeprägter Rossiter-McLaughlin-Effekt ist zu sehen, der bei einer Bahnneigung des Planeten von knapp 150° gegen die Rotationsrichtung des Sterns die beste Übereinstimmung liefert (dicke Kurve). Eine polare Umlaufbahn oder eine in Rotationsrichtung würden sich bei solchen Messungen völlig anders bemerkbar machen (strichpunktierte bzw. gestrichelte Kurven). [Anderson et al.]
So verrät sich der »Rückwärtsgang« des Planeten WASP-17b: als charakteristische Zacke in (nach Phase aufgetragenen) Radialgeschwindigkeitsmessungen seines Sterns, während der Planet vor dessen Scheibchen vorbeizieht. Ein ausgeprägter Rossiter-McLaughlin-Effekt ist zu sehen, der bei einer Bahnneigung des Planeten von knapp 150° gegen die Rotationsrichtung des Sterns die beste Übereinstimmung liefert (dicke Kurve). Eine polare Umlaufbahn oder eine in Rotationsrichtung würden sich bei solchen Messungen völlig anders bemerkbar machen (strichpunktierte bzw. gestrichelte Kurven). [Anderson et al.]
Lagen die Winkel zwischen Achse und Bahnsenkrechter bei den ersten Fällen noch bei 30° bis 60°, so sind nun fast gleichzeitig zwei Exoplaneten bekannt geworden, bei denen dieser Winkel 90° erreicht oder übertrifft, d.h. sie laufen gegen die Drehrichtung des Sterns. Erstaunlich genug ist eigentlich schon, dass man überhaupt zu solchen Aussagen kommen kann: Dies gelingt nur bei Exoplaneten, die von der Erde aus gesehen vor ihren Sternen herziehen. Dabei bedecken sie zu Beginn und Ende solch eines Durchgangs andere Teile des Sternscheibchens. Die Rotation des Sterns selbst führt dazu, dass Licht von der Seite, die sich auf uns zu bewegt, ein kleines bisschen blauverschoben ist und auf der anderen Seite rotverschoben, so dass es in der Radialgeschwindigkeitskurve des Sterns während des Planetendurchgangs zu charakteristischen Zacken kommt, dem Rossiter-McLaughlin- oder RM-Effekt. Das Muster hängt empfindlich davon ab, in welchem Winkel der Planet relativ zur Rotationsrichtung unterwegs ist. Und obwohl es bei dem Exoplaneten WASP-17b bisher überhaupt nur drei Radialgeschwindigkeitsmessungen während seiner Transits gibt (Grafik), scheint die Interpretation doch schon jetzt eindeutig zu sein: Nur eine Bahnneigung von 147° bis 149° kann dieses Muster erklären!

WASP-17b ist ein klassischer »heißer Jupiter« mit 3,7 Tagen Umlaufszeit: Alle derartigen Planeten sind nach heutiger Meinung in viel größerem Sternabstand entstanden und später durch Drehimpulsaustausch mit Resten der zirkumstellaren Scheibe nahe an den Stern herangewandert. Dabei bleibt aber die Bahnneigung unverändert, so dass andere Prozesse eine Rolle spielen müssen: Die wahrscheinlichste Erklärung sind relativ heftige gravitative Wechselwirkungen mit einem anderen Planeten. Hinweise auf einen zweiten Planeten gibt es bei WASP-17 nicht, was aber nicht gegen die Erklärung spricht: In Computersimulation solcher Begnungen wird häufig (mindestens) einer der Planeten aus dem System gekickt. Eine gewalttätige Vergangenheit könnte auch eine andere Eigenart von WASP-17b erklären: Bei nur 1,6 Saturnmassen hat er nämlich den 1,5- bis 2-fachen Jupiterdurchmesser und damit nur 6% bis 14% von Jupiters Dichte! Das ist wahrscheinlich ein neuer Rekord für einen »aufgeplusterten« Exoplaneten, dem etwas eine Menge innere Extrahitze zugeführt haben muss. Und die Gezeitenkräfte, die während der Zirkularisierung eines anfangs exzentrischen Orbits — Folge der dramatischen Bahnveränderung — auftreten, wären dafür eine gute Erklärung. Auch der Exoplanet HAT-P-7, gerade noch durch Beobachtungen des Kepler-Satelliten in den Schlagzeilen, scheint eine große Bahnneigung zu besitzen, wobei hier die Interpretation der Messungen durch zwei unabhängige Gruppen noch widersprüchlich ist (eine kommt auf mindestens 86°, die andere auf 130° Neigung). Eine Messreihe deutet dabei interessanterweise auch auf einen zweiten Planeten im System hin, der beim Kippen der Bahn des ersten vielleicht eine Rolle spielte. Und der Anteil gekippter Bahnen unter allen gemessen von etwa einem Drittel könnte bedeuten, dass so etwas schon fast die Regel ist.

Daniel Fischer

Forschungsarbeit zu WASP-17b: arxiv.org/abs/0908.1553
Zu HAT-P-7: oklo.org/2009/08/18/retrograde
Zum RM-Effekt: exoplanetology.blogspot.com/2009/08/how-to-know-exoplanets-direction-of.html

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