Weder Aurora noch Airglow: Himmelsleuchten STEVE könnte gänzlich unbekanntes Phänomen sein

Eine lehrbuchreife Erscheinung des STEVE-Phänomens aus der Nacht 16./17. Juli 2018 über dem Little Kenosee Lake in der kanadischen Provinz Saskatchewan: Sowohl der rosafarbene Streifen wie der grüne ‚Lattenzaun‘ daneben waren gut ausgeprägt, während deutlich weiter nördlich (rechts) am Horizont die normale Aurora Borealis glühte. [Neil Zeller]

Das Himmelsphänomen namens STEVE, auf das jüngst kanadische Amateurastronem die Fachwelt aufmerksam gemacht hatten, ist möglicherweise noch exotischer und bemerkenswerter als bislang angenommen: Eine Satelliten-Beobachtung von vor 10 Jahren hat jetzt gezeigt, dass keinesfalls die normale Physik einer Aurora hinter den kuriosen Leuchtstreifen am Himmel stecken kann – aber eine offensichtliche Erklärung bietet sie nicht.

Seit das Phänomen STEVE Gegenstand der Forschung geworden ist, tauchen mit einem Mal überall Beobachtungen dieser kuriosen schmalen Lichtstreifen am Himmel auf, die mitunter während starker Polarlichter auftreten, aber dann deutlich näher am Äquator (Bild oben): Eine Abenteuer Astronomie vorliegende britische Studie hat visuelle Berichte bis mindestens in 18. Jahrhundert zurück aufgespürt, die ziemlich eindeutig STEVEs beschreiben – und auch in älteren wissenschaftlichen Daten dieses Jahrhunderts wird ein STEVE nach dem anderen aufgespürt. So auch auf den All-Sky-Bildern eines kanadischen Kamera-Netzwerks, das im Zusammenhang mit der NASA-Satellitenmission THEMIS eingerichtet worden war: zum Beispiel am 28. März 2008, als ein ausgeprägter STEVE für die Kamera in Kapuskasing in der Provinz Ontario mitten durch den Zenit ging und dann allmählich zerfiel (Bilder unten). Und dann kreuzte ihn die Bahn des Wettersatelliten POES-17: Was seine Teilchendetektoren in 800 km Höhe nicht maßen, ist nun entscheidend, um die außergewöhnliche Natur des STEVE-Phänomens zu erkennen.

Die Daten vom 28. März 2008, die demonstrieren, dass „STEVE“ keine gewöhnliche Aurora ist: All-Sky-Aufnahmen des THEMIS-Netzwerks mit einem eindeutigen STEVE über Kapuskasing und normaler Aurora nördlich von 65° magnetischer Breite. Und die Bahn des Satelliten POES-17, der STEVE kreuzte (Sternchen) und keinerlei energiereichen Teilchenfluss registrierte. [Gallardo-Lacourt et al.]
Die normale Aurora alias Polarlicht entsteht durch energiereiche geladene Teilchen aus dem Sonnenwind oder dem erdnahen Raum, die vom Erdmagnetfeld nach unten beschleunigt werden,auf das Gas der Hochatmosphäre treffen und es zum Leuchten anregen. Genau dieser Teilchen-„Regen“ fand aber über dem 2008-er STEVE nicht statt, wie die Daten von POES-17 zeigen: Weder Elektronen noch Protonen waren dort mit Energien in Richtung Atmosphäre unterwegs, die für das Auslösen von Aurora-Leuchten notwendig gewesen wären. Allenfalls ein energiearmer Protonenregen ist angedeutet, der freilich indirekt über irgendeinen anderen Mechanismus den STEVE zum Leuchten gebracht hätte – überzeugende Kandidaten fallen den Autoren der Arbeit indes nicht ein, vielleicht ein Heizprozess. Außer durch den Aurora-Mechanismus kann die Erdatmosphäre auch durch Sonnenlicht zum Nachglühen angeregt werden, was Airglow genannt wird, aber das passt erst recht nicht: Es deutet sich an, dass es die Geophysik hier mit einem bislang unbekannten physikalischen Prozess zu tun hat, bei dem nicht einmal klar ist, in welcher Region – Magnetosphäre oder Ionosphäre – er abläuft! Die Amateur-Beobachter, die die Fachwelt auf den gar nicht so seltenen Himmelsexoten aufmerksam machten, haben unverhofft ein ganz neues Forschungsfeld eröffnet – das nun nach mehr Daten giert.

LINKS:

Originalarbeit: https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1029/2018GL078509
AGU Press Release: https://news.agu.org/press-release/new-kind-of-aurora-is-not-an-aurora-at-all
Hintergrund: https://www.americanscientist.org/article/steve-and-the-citizen-scientists

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